Deutschland im Jahre 76 nach der Shoa

 

 Schach, Spiel, Spaß, Spielen, Strategie, Freizeit

 


In Israel fallen Bomben und in Deutschland solidarisiert man sich

Text Juliane Beer

 

Parallel zu den Bemühungen der Defence Forces die christliche, jüdische und muslimische Bevölkerung in Israel vor dem Bombenhagel der Hamas zu schützen schießt in Deutschland eruptiv das ans Licht, was sonst auf gut temperierter Flamme vor sich hin köchelt: Aggressionen und Vernichtungsphantasien gegen Jüdinnen und Juden und ihren Staat. Über die Straßen deutscher Großstädte toben seit Tagen unter dem Skandieren martialischer Schlachtrufe arabischstämmige Familien mit Kind und Kegel und ihre UnterstützerInnen.

Linke zogen zudem, u.a. mobilisiert durch die trotzkistische Sekte SAV, an diesem Wochenende durch Berlin Kreuzberg im Rahmen einer “Palästina Solidaritätsdemo“. Auf Fahnen und Schildern war “Nein zum Krieg“ und „Stoppt Israels Luftangriffe“ zu lesen. Bevor sich der Zug in Bewegung setzte lautete meine Frage an einige Fahnenschwenkende, warum man einerseits gegen Krieg sei, sich aber zu einer Demo zusammenfinde, die sich erklärt mit den Angreifern solidarisiere. Das konnte nicht beantwortet werden. Auch nicht, warum man von Israel verlange, den Schutz seiner arabischen und jüdischen BürgerInnen einzustellen, die Gegenseite aber nicht auffordere, die Angriffe zu stoppen. Geantwortet wurde mit Parolen à la Der westliche Imperialismus muss gestoppt werden.



Ortswechsel

Auf der Neuköllner Sonnenallee lauteten die Schlachtrufe am Samstag „Bombardiert Tel Aviv“, „Intifada bis zum Sieg!“ „Scheiß Juden!“. Der Mob wurde auseinandergetrieben. Weil die Corona-Regeln missachtet worden wären. Es folgten Flaschen- und Steinwürfe gegen die Polizei. Die Tagesschau vermeldete ein paar Stunden später:

Viele Teilnehmende wollten deutlich machen, dass sie Gewalt in Nahost verurteilen.“

Die Situation hätte sich verschärft, so erfuhr das deutsche TV-Publikum zudem, weil “einige Personen mit Israel-Flaggen“ erschienen seien. In der Presse ergänzten die, die Gerechtigkeit hochhalten, dass Israel militärisch überlegen sei, und zeigen dadurch in Bezug auf den aktuellen Angriffskrieg der Hamas unmissverständlich wie eine von ihnen favorisierte Lage aussähe.

Zur Entlastung des öffentlich rechtlichen Rundfunks, der Medien und der Politik, so sich letzte überhaupt zu Worte meldete, muss allerdings hinzu gefügt werden, dass man nicht nur Personen mit Israel-Flaggen als die ausmachte, die für die Eskalation auf deutschen Straßen verantwortlich seien, sondern zudem “militante arabische Gruppierungen“. Wer genau das sein soll wurde bislang nicht erläutert, einschlägige islamische Vereinigungen bzw. Moscheevereine in Deutschland hat man vermutlich dabei nicht im Sinn, denn denen und deren Tun hilft man ja mit deutschem Steuergeld großzügig aus. Die Erleichterung bei Medien und Politik, dass bislang abgesehen von deutschstämmigen Linken nur „Unzufriedene mit der Politik Israels“ aus migrantischen Communities die Straßen auseinandernehmen und das deutsche Bürgertum vom Wohnzimmersessel aus lediglich und evtl. zufrieden zusieht, wie diese ansonsten ungeliebten ZeitgenossInnen brüllen „was gesagt werden muss“, ist kaum zu überhören. Dass man seine “Israelkritik“ seit langem an GastkritikerInnen ausgelagert hat schrieb ich letztes Jahr bereits hier.

https://frauenstandpunkt.blogspot.com/2020/07/von-deutscher-grozugigkeit-und-event.html



UnterstützerInnen

Wie immer wenn der Hass gegen Jüdinnen und Juden sich Bahn bricht sind es hauptsächlich Jüdinnen und Juden, die auf die Straße gehen, um dagegen zu halten, obwohl sie die letzten sind, deren Aufgabe dies in einer auch nur im Referenzbereich normalen Welt wäre, in Deutschland sowieso. Unterstützt werden sie von ein paar unermüdlichen Initiativen, Organisationen und Einzelpersonen, denen das Etikett Israel-Lobby anhaftet, ohne dass die, die hier etikettieren, sich je die logischerweise anschließende Frage gestellt hätten, nämlich, warum Israel überhaupt LobbyistInnen braucht und Schweden, Japan oder Irak usw. usf. nicht.

Bei einer Berliner Kundgebung gegen Antisemitismus am Potsdamer Platz fanden sich am Samstag wenige hundert Leute ein, wie viele davon mit jüdischen Wurzeln ist natürlich nicht zu ermitteln. Die einschlägigen TV-und-Presse-Antisemitismus-VerurteilerInnen-Gesichter waren nicht zu sehen.

In den sozialen Netzwerken solidarisiert sich mit dem jüdischen Volk und mit dem Staat Israel ein Teil der jungen Generation, die Krieg offenbar für ein Computerspiel hält, bei dem man sich und seinen Account mit dem Emblem seiner Mannschaft schmückt. Immerhin. 

Und natürlich solidarisiert sich auch wie immer ein kleines mutiges Grüppchen der Älteren und lässt sich auch von Facebook-Sperrungen, Verwarnungen, Löschungen und Beschimpfungen aus der Kontaktliste nicht schrecken. 

Israel-solidarische Linke machen indes ihren Job und versuchen, die Vorkommnisse geradezurücken, weisen darauf hin, dass Hamas und Hisbollah, deren Ziel weder eine Zweistaatenlösung noch ein irgendwie anders gearteter Frieden mit der israelischen Bevölkerung, sondern die Vertreibung sämtlicher Jüdinnen und Juden ist, hauptsächlich vom Iran und der Muslimbruderschaft, die auch in Deutschland ungehindert agieren darf, unterstützt und bewaffnet werden. Ob vor israelischem Gericht Eigentumsverhältnisse geklärt oder Siedlungen in umstrittenen Gebieten errichtet würden oder ob es zu Ausschreitungen auf dem Tempelberg käme spiele für Hamas und Hisbollah dabei keine Rolle.  

Man kann das unterschreiben. Was auch immer in Israel passiert oder nicht passiert dient arabischen Nationalisten als Legitimation von Gewalt mit dem Ziel eines judenfreien Staates. Begebenheiten wie beispielsweise der Abriss jüdischer Häuser in der Siedlung Amona 2017 nach diesbezüglichem israelischen Gerichtsbeschluss, interessiert arabische Nationalisten natürlich ebenso wenig, wie die Häuser in Sheikh Jarrah und das Wohl derer, die darin lebten.

Israel-solidarische Linke sind es auch, die dieser Tage in den sozialen Netzwerken unermüdlich auf den arabischen Angriffskrieg gegen Israel 1948 nach Staatsgründung hinweisen und man zittert und hofft, dass eben diese Linke es sich dieses Mal ausnahmsweise verkneifen, ihren Mythos, wonach Israel aufgrund der Shoa entstanden sei, kundzutun. Wäre diese Legende nämlich tatsächlich wahr, wäre auch die aktuell bei vielen arabischen Demonstrationen skandierte Frage, warum man mit den Folgen des deutschen Massenmordes konfrontiert werden würde, durchaus berechtigt.

Dass nach dem Niedergang des osmanischen Reiches Palästina britisches Mandatsgebiet war dürfte bekannt sein. Ebenso, dass zionistische Pläne bis in die Antike zurückgehen und der Beginn des Zionismus zumeist auf das Jahr 1880 und die osteuropäische ZionistInnenbewegung Chibbat Zion datiert wird. Und evtl. ist zudem bekannt, dass Bestrebungen – religiöser, pragmatischer und ja, auch nationalistischer Natur zur Gründung eines jüdischen Staates älter als 76 Jahre sind.

Historische Fakten sind im Falle von Konflikten allerdings für die wenigsten interessant, weitaus beliebter ist es, einen Bezug zu sich und seinen Bedürfnissen herzustellen, was sowohl menschlich als auch in Ordnung ist, solange dabei niemand Schaden nimmt.

Dass es jemals zu offiziellem dauerhaftem Frieden zwischen arabischen und jüdischen Israelis kommt glauben in Israel übrigens die wenigsten. Große Teile der Zivilbevölkerung haben eigenständig Frieden untereinander geschlossen. Man kann nur hoffen, dass aktuell nicht auch noch dieser auf dem Spiel steht. Den BewohnerInnen des Gazastreifens wünscht man zudem endlich freie Wahlen.

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