Die (fast) ganze Geschichte der Omaima A.

 

 

Text: Birgit Gärtner

Was Sie über Omaima A. wissen sollten – die Medien aber nicht berichten; nicht einmal recherchieren.

Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) verhängte eine Haftstrafe gegen die IS-Rückkehrerin u. a. wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verletzung der Fürsorgepflicht Die Kammer sah es als erwiesen an, dass Omaima A. selbst Mitglied der Terrororganisation IS gewesen sei, sich der Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit und zur Versklavung eines ezidischen Mädchens schuldig gemacht, gegen das Kriegskontrollwaffengesetz verstoßen und die Fürsorgepflicht für ihre Kinder verletzt habe. Die Bundesanwaltschaft hatte vier Jahre und zehn Monate Haft für die Angeklagte, ihr Verteidiger Tarig Elobied zwei Jahre auf Bewährung für seine Mandantin gefordert. 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, ob eine der beiden Seiten Rechtsmittel dagegen einlegen wird, ist noch nicht bekannt. Sollte es in Kraft treten, dann ist damit meines Wissens zum ersten Mal eine IS-Rückkehrerin als Terroristin anerkannt und verurteilt worden. Den meisten Dschihadistinnen ist es gelungen, sich als Opfer der Umstände zu inszenieren und statt Strafe Mitleid zu bekommen. 

Danke Jenan Moussa! 

Im April 2019 wurde aufgrund der Recherchen der libanesischen Journalistin Jenan Moussa bekannt, dass in Hamburg eine IS-Rückkehrerin namens Omaima A. lebt, die dem Recherchematerial Moussas zufolge mit dem Rapper Denis Cuspert alias Deso Dogg verheiratet war und selbst tief in das Terrornetzwerk des IS verstrickt gewesen sein soll. Cuspert galt als ranghöchstes deutsches IS-Mitglied, er soll 2018 bei Kämpfen ums Leben gekommen sein. 

Scheinbar bürgerliche Existenz 

Omaima A. kehrte vermutlich im September 2016 nach Hamburg zurück, mit drei Kindern und schwanger. Im Stadtteil Harburg lebte sie unauffällig als Beauty-Beraterin und Übersetzerin. Ganz so geläutert, wie sie tat, ist sie dann wohl doch nicht, wie Recherchen von Jenan Moussa und auch von Telepolis ergaben. So war dem Material zu entnehmen, das Jenan Moussa der Hamburger Staatsanwaltschaft präsentierte, dass die IS-Rückkehrerin auf der Facebookseite von „Ansaar International“ kommentierte. Sie avisierte Sachspenden, was zunächst völlig unverdächtig ist. Brisant ist nur, dass sie diese einer Organisation aus dem salafistischen Spektrum zukommen lassen wollte, der vom Bundesinnenministerium vorgeworfen wird, die HAMAS zu unterstützen. Das wird seitens „Ansaar International“ indes bestritten. 

Im September 2019 wurde sie festgenommen und im März 2020 erhob die Bundesanwaltschaft Anklage gegen sie. Bei ihrer Verhaftung zeigt sie den für den IS typischen erhobenen Zeigefinger. Möglicherweise eine Botschaft an ihr Umfeld. Ihr Anwalt Tarig Elobied versuchte vor Gericht in Bezug auf seine Mandantin den Anschein einer harmlosen Hausfrau zu erwecken, die quasi nichtsahnend in das Abenteuer Kalifat stolperte und im Grunde nur ihren beiden verblichenen Ehemännern den Haushalt führte. 

Einkaufsparadies für die "wirklich" Gläubigen 

Anfang 2012 trat Noura A. mit einem seinerzeit als ungewöhnlich erachteten Ansinnen an die zuständige Behörde, das Bezirksamt Hamburg-Harburg, heran: Sie wollte ein Einkaufszentrum errichten. Allerdings - und deshalb führte es zu heftigen Diskussionen innerhalb der und unter den in der Bezirksversammlung vertretenen Fraktionen - "for muslims only". Das Objekt sollte den Namen "Firdaus Center" bekommen, was übersetzt "Paradies-Center" heißt. Noura A. trat gemeinsam mit ihrer Schwester (oder Mutter)auf: Omaima A., die Jahre später weltweit für Schlagzeilen sorgen sollte. Ob Noura A. die Schwester oder die Mutter ist, da bin ich mir nicht ganz sicher. Als ich den Artikel über diese Verbindungen schrieb, las ich, es sei die Schwester, später, sie sei die Mutter. Bei der leben nun die vier Kinder von Omaima A. … 

Noura A. führte zu dem Zeitpunkt einen Internetshop, den "Mumin-Shop", Mumin steht für "wirklich gläubig". Das offenbart das dahinterstehende salafistische Gedankengut. Salafismus bedeutet, um den Sprecher des LfV Hamburg, Marco Haase, zu zitieren: "Sie halten sich strikt an die Regeln der Scharia und lehnen von Menschen gemachte Gesetze oder irdische Gerichte ab." Entsprechend wurden im "Mumin-Shop" islamische Gewänder für strenggläubige Muslime - und vor allem Musliminnen - angeboten. In das geplante "Firdaus Center" im Hamburger Bezirk Harburg sollten verschiedene Geschäfte einziehen und auch ein gastronomischer Betrieb. Vermieten wollte die potentielle Pächterin der Ladenzeile Noura A. allerdings nur an muslimische Gewerbetreibende. Vorgesehen dafür war ein Objekt direkt neben der Masjid-El-Iman-Moschee, eine von zwei Moscheen im Bezirk Harburg, die unter Beobachtung des LfV stand. Die zweite war die Taqwa-Moschee, die als Nachfolger der berüchtigten Al-Kuds-Moschee (später Taiba-Moschee) vom Steindamm galt, in der die Attentäter Mohammed Atta und seine Mitstreiter beteten und vermutlich auch radikalisiert wurden. Die Taqwa-Moschee wurde 2016 geschlossen. Beide Moscheen lagen nur wenige Hundert Meter auseinander. 

In diesem Objekt, eine ehemalige Kneipe, eröffnete Noura A. einen Hijab-Store, quasi ein Vorbote dessen, was die Harburger Bevölkerung mit dem "Firdaus Center" zu erwarten hätten. Im Fenster wurde eine schwarze Fahne mit weißer Schrift aufgehängt. Diese Art Banner sollte später als Fahne des IS Furore machen. Doch an den IS dachte damals noch niemand. 

In ihrem Internetshop gab sie Hinweise wie: "Achtet darauf, dass ihr euch auf der Straße islamisch korrekt kleidet!" Das "Firdaus Center" bewirbt sie mit Sätzen wie: "Zögert nicht, die Dawa in Deutschland voranzubringen." Dawa bedeutet die Aufforderung, den muslimischen Glauben anzunehmen. 

Die Hamburger CDU sah in dem geplanten Einkaufszentrum einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, weil ausschließlich Angehörige einer Religion Flächen vermietet werden sollten. Die SPD war uneins, z. T. fanden die Bezirksabgeordneten, ein derartig streng religiös geprägtes Unterfangen stehe dem Bemühen um Integration der muslimischen Bevölkerung entgegen. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion in der Bezirksversammlung Harburg, Jürgen Heimath , fand laut Hamburger Morgenpost (MoPo) den Internetshop "befremdlich", denn "alle angebotenen Waren würden dem Integrationsgedanken widersprechen". Der damalige integrationspolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Kazim Abaci, sagte damals dem Elbe-Wochenblatt, er hielte so ein Angebot in einem Stadtteil wie Harburg mit hohem Migrantenanteil für "durchaus sinnvoll". Allerdings sprach auch er sich gegen die Vermietung an ausschließlich muslimische Gewerbetriebende aus:" Wir wollen keine Parallelgesellschaft, wir wollen Durchlässigkeit", zitierte ihn das Springer-Blatt. 

Der Traum von Noura A. zerplatzte im März 2012. Und zwar an weltlichen Dingen und irdischen Gesetzen: Den Mietvertrag mit ihr hatte der Vater des Eigentümers des Objekts in dessen Namen, aber ohne dessen Wissen oder gar Zustimmung, mit ihr abgeschlossen. Damit war der Vertrag rechtlich unwirksam und der Eigentümer weigerte sich, einen neuen Vertrag mit ihr abzuschließen. So verschwanden Hijab-Store und IS-Flagge wieder aus Harburg. Und mit ihnen offenbar auch die Familie A. aus dem Radius des Verfassungsschutzes, in das sie aufgrund ihrer Aktivitäten geraten waren. 

Salafistische (Frauen)Netzwerke 

Im Mai 2012 führte Omaima A. ein Spendenkonto; und zwar zur Unterstützung von Murat K.. Das war einem Aufruf in dem inzwischen geschlossenen "Mumin Shop" zu entnehmen. Der "Bruder", so wurde er dort genannt, säße im Gefängnis, weil "die Tawaghit ein Exempel" an ihm "statuieren wollen". "Tawaghit" sind die "Feinde Mohammeds". 

 Murat K. war wegen versuchten Polizistenmordes angeklagt, musste sich wegen gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruchs und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte vor Gericht verantworten. Er wurde zu sechs Jahren verurteilt und, nachdem er diese verbüßt hatte, im Mai 2018 in die Türkei abgeschoben. In der salafistischen Szene war der "Bruder" für seine Tat als "Löwe" gefeiert worden. Konkret verlieh ihm Denis Cuspert alias Rapper Deso Dogg diesen Ehrentitel. 

Murat K. hatte mit einem Messer zwei Polizeibeamten in die Oberschenkel gestochen. Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass er gezielt in die Oberschenkel gestochen habe, um die Hauptschlagader zu verletzen und wertete den Angriff als Mordversuch

Der Vorfall ereignete sich im Mai 2012. Damals demonstrierte die rechtsextreme Partei "Pro NRW" gegen die saudi-arabische "König-Fahd-Akademie" in Bonn. Dagegen wiederum hatten Salafisten mobilisiert. Murat K. lebte damals im hessischen Sontra und konnte einen Lebenslauf vorweisen, der später immer wieder Beteiligte an Terroranschlägen beschreiben sollte: Laut Spiegel geriet "der Sohn türkischer Einwanderer" bereits als Teenager "auf die schiefe Bahn, brach ein, nahm Drogen, überfiel Kioske, prügelte sich in Straßenbahnen und klaute Handys". "Ich war kein guter Mensch", zitiert ihn das Nachrichtenmagazin aus Hamburg, doch sei daran auch die Gesellschaft schuld gewesen: "Mir wurden Alkohol und Zigaretten gegeben. Die Sachen wurden mir so hingestellt." Dem Magazin zufolge änderte sich das, nachdem er den Salafisten-Prediger Pierre Vogel kennenlernte und in der Religion, der "wahren Religion", Halt fand. "Mit großer Begeisterung lauschte K. den Vorträgen des charismatischen Salafisten-Predigers und Ex-Berufsboxers Pierre Vogel und versuchte, sich an der berüchtigten Islamschule in Braunschweig fortzubilden", so der Spiegel. 

Im Mai 2012 führten ihn seine frommen Wege nach Bonn, wo die "Ungläubigen" nicht nur gegen die saudische Akademie protestierten, sondern dabei auch noch Mohammed-Karikaturen zeigten. Damit hatten die Polizeibeamtin und ihr Kollege, die Opfer seines Messerangriffs wurden, zwar nichts zu tun, aber, so argumentierte er dem Spiegel zufolge vor Gericht: Der Staat habe es erlaubt, dass die Mohammed-Karikaturen gezeigt würden und deshalb sei es die Pflicht jedes rechtgläubigen Muslims gewesen, dessen Repräsentanten anzugreifen. Die Polizisten hätten ihren Dienst "ja verweigern können", rechtfertigte K. auf krude Weise seinen Angriff. 

Als Prozessbeobachter fand sich seinerzeit auch Bernhard Falk ein, ehemaliges Mitglied der "Antiimperialistischen Zelle", der ebenfalls den Glauben für sich entdeckte und ein Unterstützungsnetzwerk für salafistische "Brüder" im Knast aufbaute. In diesem Netzwerk, das nicht zwangsläufig an die Strukturen von Falk gebunden sein muss, spielen Frauen eine große Rolle. Frauen wie Omaima A… 

Zentrum der Bewegung 

Die inzwischen geschlossene "König-Fahd-Akademie" in Bonn war sozusagen der Außenposten des sunnitischen Königshauses von Saudi-Arabien. Eingeweiht wurde das knapp 30 Millionen DM teure Objekt am 15. September 1995; offiziell als Schule für Kinder aus saudischen Familien, die vorübergehend in Deutschland lebten. Entsprechend war der Lehrplan unabhängig von staatlicher Kontrolle. Das war jedoch nur ein Teil der Wahrheit, der Akademie war eine Moschee angeschlossen und sie wurde nicht nur von vorübergehend hier lebenden Kindern besucht. 

Bereits Anfang dieses Jahrtausends deckte u.a. das Politmagazin "Panorama" enge Verbindungen zu fundamental-islamischen Kreisen in Deutschland auf. So war Ibrahim El-Zayat offiziell beim Bonner Amtsgericht als Begünstigter im Falle einer Vereinsauflösung eingetragen. El-Zayat galt in den 1990er Jahren als Vertreter des "World Assembly of Muslim Youth" (WAMY) und bekleidete eine hohe Funktion im "Islamischen Konzil Deutschland", das indes seit 2003 nicht mehr öffentlich in Erscheinung getreten ist. El-Zayat war von 2002 bis 2010 Vorsitzender der "Islamischen Gemeinschaft Deutschland" (IGD), die sich kürzlich in "Deutsche Muslimische Gemeinschaft" (DMG) umbenannte, und er gehörte zum Vorstand von "Islamic Relief Deutschland" (IRD). Die arbeitet vorwiegend caritativ und wird von israelischen Behörden bezichtigt, die Hamas zu unterstützen. "Islamic Relief" wird dem Geflecht der Muslimbruderschaft (MB) zugerechnet und wurde u.a. vom Profikicker Mesut Özil unterstützt

Im Juli 2020 führten antisemitische Ausfälle in sozialen Netzwerken zu massiven Verwerfungen in der britischen Zentrale der Organisation „Islamic Relief Worldwide“ (IRW). Der Skandal wurde ausgelöst durch Heshmat Khalifa, der früher Funktionen innerhalb der Organisation „Islamic Relief Deutschland“ innehatte und seinen Hut nehmen musste. Zu Fall brachten ihn Posts u. a. bei Facebook, die die Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann-Marschall entdeckte und auf ihrem Blog „Vorwärts und nicht vergessen“ veröffentlichte. 

Über die Akademie in Bonn wurden Stipendien für Koranstudien in Mekka und in Pakistan vergeben. Beim Casting der Studenten war u.a. Naadem Elyas, der ehemalige Vorsitzende des "Zentralrats der Muslime in Deutschland e.V." (ZMD), behilflich. Außerdem vermittelte Ahmad von Denffer vom "Islamischen Zentrum München" (IZM) Stipendien für Koranschulen in Islamabad. Eine der von ihm vermittelten Stipendiatinnen war die unermüdlich für den Hijab im Staatsdienst kämpfende Fereshta Ludin, die ihrerseits im "Scharia-Rat" der "Muslimischen Jugend Deutschland" saß. Die "Muslimische Jugend" wird ebenfalls dem Geflecht der Muslimbruderschaft zugeordnet. Gegründet würde die "Muslimische Jugend" im "Haus des Islam", das vom deutschen Konvertiten Wolfgang Borgfeld alias Mohammed Siddiq ("der Wahrheitsliebende") mit Hilfe von Spenden u.a. aus Kuwait aufgebaut wurde. Fereshta Ludin versuchte zu erstreiten, dass sie in Baden-Württemberg als Lehrerin mit Hijab in den Staatsdienst übernommen wurde. Nachdem die seinerzeit damit scheiterte, kam sie an einer Schule in Berlin unter, die vom türkischen Pendant der Muslimbruderschaft, der "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs" (IGMG) geführt wird. Aktuell ist sie im Kampf gegen das Berliner Neutralitätsgesetz ganz vorn dabei. 

Einige der Stipendiaten, die von der "König Fahd-Akademie" an Koranschulen in Saudi Arabien oder Pakistan vermittelt wurden, machten später als Terroristen von sich reden oder wurden mit terroristischen Anschlägen in Verbindung gebracht

Viele Gotteskrieger kommen aus dem kleinkriminellen Milieu 

Vor eben jener Einrichtung protestierte im Mai 2012 die rechtsextreme Pro NRW. Das wiederum veranlasste erzürnte Gottesfürchtige zu einer Gegendemonstration. Unter ihnen besagter Murat K., der mit Pierre Vogel den rechten Weg, sprich den "wirklichen" Glauben gefunden hatte. 

Auch Pierre Vogel ging 2004 mit einem Stipendium für drei Semester an das "Arabische Institut für Ausländer" an der Umm-Al-Qura-Universität in Mekka. Zusammen mit dem gebürtigen Palästinenser Ibrahim Abou-Nagie versuchte Pierre Vogel gezielt, Kinder und Jugendliche zum salafistischen Islam zu bekehren. Ibrahim Abou-Nagie startete das deutsch-sprachige Internetportal "die wahre Religion". Daraus entstand der Verein "die wahre Religion" (DWR), bzw. die "Stiftung Lies", die durch Koranverteilungen in bundesdeutschen Innenstädten von sich reden machte. DWR wurde 2016 verboten, obwohl der Berliner Menschenrechtsanwalt Eberhard Schultz versuchte, das zu verhindern. 

Pierre Vogel gilt gemeinsam mit dem hessischen Kurden Bilal Gümüs als Initiator der Kampagne "We love Muhammad", die nach dem Vorbild der "Lies"-Kampagne durch Koranverteilungen in Innenstädten jugendlich für den Islam zu bekehren versuchte. "Lies" wurde verboten, weil angeworbene Jugendliche sich zum Dschihad nach Syrien aufmachten. Pierre Vogel hatte auch Kontakt zu Denis Cuspert alias Deso Dogg: In einem in der Neuköllner "Al-Nur-Moschee" aufgenommenen Video sprach der Rapper der Konrad Adenauer Stiftung zufolge mit Pierre Vogel und erklärte seinen Ausstieg aus dem Rap-Geschäft. 

Auch Cuspert hatte eine "Karriere" als Kleinkrimineller und Gewalttäter hinter sich und fand eigenen Angaben zufolge schließlich Halt im Glauben. Gemeinsam mit dem Österreicher Mohamed Mahmoud gründete er die "Millatu Ibrahim Moschee" in Solingen. Auch "Millatu Ibrahim" tingelte durch die Städte und versuchte junge Menschen zum Islam zu bekehren. Ende Mai 2012 wurde die Organisation verboten, Cuspert setzte sich ins Kalifat ab, wo er zu einer "der Hauptpersonen des Al Hayat Media Centers, der Medienorganisation der Terrormiliz Islamischer Staat" aufstieg. Später heiratete er Omaima A., nachdem deren Ehemann Nadir Hadra in die ewigen Weintraubenberge eingegangen war (Gotteskriegern wird als Lohn versprochen, im Paradies warteten 72 Jungfrauen auf sie, die nach jedem Geschlechtsverkehr wieder zur Jungfrau würden. Allerdings sind sich Islamwissenschaftler nicht einig, ob die richtige Übersetzung des arabischen Wortes nicht vielleicht doch "Weintraube" sei und nicht "Jungfrau"). 

Nadir Hadra war auch in Sachen "Lies" aktiv und Omaima A. hatte auch enge Kontakte zu Mohamed Mahmoud. Das belegt das Bildmaterial in dem von Jenan Moussa gefundenen Handy. Denis Cupsert war einer der Wortführer bei der Demonstration im Mai 2012 vor der "König-Fahd-Akademie" in Bonn, bei der Murat K. die Polizeibeamtin und ihren Kollegen angriff, woraufhin Deso Dogg ihn zum "Löwen" adelte. 

Omaima A. setzt ihre salafistische Tätigkeit offenbar ungehindert fort 

Daraufhin trat Omaima A. auf den Plan, sie organisierte eine Spendensammlung für den "Löwen", der in die Hände der "Feinde Mohammeds" geraten war. 

Inwiefern zu dem Zeitpunkt persönliche Kontakte zwischen Omaima A. und Deso Dogg bestanden, ist nicht bekannt. Sicher ist: Die beiden haben später im IS-Kalifat geheiratet, die Harburgerin ist die Witwe des deutschen IS-Kämpfers, der in der Hierarchie der Terrororganisation am weitesten nach oben gekommen ist. 

Über das Handy hatte Jenan Moussa auch Zugriff auf den Facebook-Account von Omaima A. Die Journalistin stellte fest, dass die IS-Witwe auf der Facebook-Seite der Organisation "Ansaar International" kommentiert hatte. Und zwar 4 Tage nachdem es bei dem bundesweit agierenden Verein eine Großrazzia gab, fragte sie, wann das Hamburger Spendenlager geöffnet sei. Das Posting wurde inzwischen gelöscht. "Ansaar International" stand im Verdacht, die Hamas zu unterstützen. Die Organisation bestritt diesen Verdacht aber. 

Laut der Westdeutschen Zeitung wurde Ansaar International von dem Rapper Joel K. gegründet, der nach wie vor Vorsitzender des Vereins ist. Von den etwa 15 Personen "an der Spitze von Ansaar" sollen einige bei "Lies", bzw. der "wahren Religion" aktiv gewesen sein. Laut Welt nennt sich Joel K. "Abu Rahma". Ein Foto auf der Online-Platform Myspace zeigt ihn vor einer grünen Flagge mit dem islamischen Glaubensbekenntnis Schahada, wie sie auch die Hamas verwendet. Joel K. trat als Mitglied der Düsseldorfer Rapcrew BTM Squad erstmals öffentlich in Erscheinung. … Ein Crewmitglied von K., Nabil M., veröffentlichte mehrere Lieder mit dem Rapper und späteren IS-Terroristen Denis Cuspert alias Deso Dogg. Aus dem Lagebild Salafismus Nordrhein-Westfalen geht hervor, dass der Verein in den vergangenen Jahren rund zwölf Millionen Euro umgesetzt habe - nach eigenen Angaben.

Recherchen von WELT AM SONNTAG zeigen, dass organisierte Pilgerfahrten nach Mekka mit bekannten Salafistenpredigern als eine Einnahmequelle angegeben wurden. Auch dabei steht ein Unternehmen aus Düsseldorf im Fokus: BLCK STONE. Der Reiseveranstalter wirbt auf der Homepage mit organisierten Trips nach Saudi-Arabien und dem Versprechen: "Alle unsere Gewinne werden dem Hilfsverein Ansaar International e. V. gespendet!" Der Spendenverein des islamistischen Netzwerks.

In diesem Netzwerk ist irgendwie jeder mit jedem vernetzt. Die einen, wie Deso Dogg, Nadir Hadra und Omaima A. setzen auf den bewaffneten Dschihad, die anderen, Wolfgang "Siddiq" Borchert, der ZMD oder Fereshta Ludin, auf den sanften Dschihad, den Marsch durch die Institutionen. Beide erfahren öffentliche Unterstützung, z. B. mit Hilfe von angeblich caritativen Organisationen wie „Islamic Relief“ oder „Ansaar International“, für deren Events Prominente aus Politik, Medien, Kultur, Sport und Wirtschaft gefunden werden. Omaima A. hatte offenbar ein großes Vorbild: Auf ihrem Handy fand Jenan Moussa ein Foto, auf dem ein gefälschter Ausweis zu sehen war - ausgestellt auf den Namen Fatima Atta, geboren am 11.9.1985. Außerdem fand sie darauf das Foto einer Wegbeschreibung. Eingezeichnet war dort vermutlich der Weg von der Wohnung der Familie A. zu dem geplanten "Firdaus Center". Jenan Moussa stellte schockiert fest, dass das dort beschriebene Areal quasi den Lebensraum von Mohammed Atta umreißt: Seine Wohnung und die Moschee, in der er betete. Vermutlich hat die Zeichnung jedoch nichts mit Mohammed Atta zu tun, sondern beide haben sich in der Nähe der Moscheen angesiedelt, die unter Beobachtung des Verfassungsschutzes standen, u.a. weil dort salafistische Prediger auftraten. Welcher Platz für ein Einkaufsparadies für die "richtig" Gläubigen wäre geeigneter als der neben einer einschlägig bekannten Moschee? 

Salafisten-Verteidiger 

Dass sie nicht ganz so harmlos ist, wie ihr Anwalt Tarig Elobied tut, dafür steht also ihre Vergangenheit (und mutmaßlich ihre Gegenwart) – und vor allem er selbst. Denn der Berliner Strafverteidiger ist kein x-beliebiger Jurist, der zufällig an seine Angeklagte kam, sondern offenbar in salafistischen Kreisen gut bekannt: Er war als Anwalt auf der Webseite der Organisation „Al Asraa – die Gefangenen“ gelistet. Diese Webseite ist unterdessen vom Netz genommen, das Facebook-Profil der Organisation stillgelegt, jedoch existiert im Webarchiv ein Nachweis. 


 


 


Zu „Al Asraa“ schreib der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz in seinem Bericht 2018

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Die salafistische Vereinigung Al Asraa – Die Gefangenen, welche im Jahre 2015 erstmalig namentlich in sozialen Netzwerken auftauchte, hat sich auf die Betreuung von inhaftierten Muslimen und ihren Angehörigen spezialisiert. … Das Aufgabenfeld der Vereinigung lässt sich in fünf Tätigkeitsfelder gliedern: 

► persönliche Besuche inhaftierter Muslime 

► Betreuung und Unterstützung von inhaftierten Muslimen und deren Angehörigen 

► Prozessbeobachtung vor Gericht und Berichterstattung über das vermeintliche „Leid“ muslimischer Gefangener 

► Interaktive Kommunikation in sozialen Netzwerken und 

► Schaffung einer besseren Vernetzung innerhalb der salafistischen Szene. 

Inhaftierte und ihre Angehörige werden in Deutschland durch „seelische“ und finanzielle Zuwendungen unterstützt. Diese Zuwendungen erfolgen vorwiegend durch das Versenden von handgeschriebenen Briefen, selbstgemalten Bildern – auch von Kindern – oder Büchern von islamistischen Ideologen an Inhaftierte. Daneben werden sogenannte „Patenschaften“ vermittelt, um einen dauerhaften persönlichen Kontakt zu Inhaftierten aufzubauen. Insbesondere die öffentliche Berichterstattung über das vermeintliche „Leid“ muslimischer Gefangener sowie über den Verlauf von Gerichtsprozessen nehmen einen hohen Stellenwert in der Öffentlichkeitsarbeit von Al Asraa – Die Gefangenen ein. 

Als Begründung für die Teilnahme an Gerichtsverhandlungen wird öffentlich erklärt, dass diese „Arbeit“ eine „religiöse Verpflichtung“ darstelle, die mit der Hoffnung „auf den Lohn bei Allah“ verbunden sei. Über soziale Netzwerke findet ein interaktiver Austausch mit potentiellen Unterstützern und Spendern statt. (…) Die Vereinigung Al Asraa – Die Gefangenen versucht, durch Aufrechterhaltung des Kontaktes zu muslimischen Gefangenen diese und ihre Angehörigen in der salafistischen Szene zu binden. Personen sollen von dem salafistischen Gedankengut überzeugt oder in ihrer bereits vorhandenen extremistischen Überzeugung gefestigt werden. Hierbei wird auf Zitate und Quellen der salafistischen und der jihadistischen Ideologie zurückgegriffen und in sozialen Netzwerken veröffentlicht. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Hintergründen der Inhaftierung oder den Gerichtsurteilen findet nicht statt. Für Al Asraa – Die Gefangenen ist nur die „religiöse Ausrichtung“ eines Menschen relevant. Wer nach diesen Vorstellungen „wahrhaft muslimisch“ ist, gehört zur Gemeinschaft und muss vor „schädlichen“ Einflüssen bewahrt werden. Inhaftierte Muslime werden glorifiziert und daraus schlussfolgernd als wahre Muslime präsentiert, die nur aufgrund ihres „Glaubens“ große Ungerechtigkeiten in und durch Gefangenschaft erleiden müssen. Im Betreuungsspektrum sind durchweg nur inhaftierte Straftäter aus der extremistisch-salafistischen Szene anzutreffen. 

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Die beiden ebenfalls bei Al-Asraa unter der Rubrik „Anwälte“ gelisteten Seda Basay-Yıldız und Ali Aydın vertraten gemeinsam eine Angeklagte namens Jennifer W., die ebenfalls IS-Rückkehrerin ist. Ihr wird vorgeworfen zugelassen zu haben, dass ihr Mann, ein IS-Kämpfer, ein „fünfjähriges jesidisches Mädchen, das als Sklavin im Haus lebte“ in der Sonne ankettete und verdursten ließ. Seda Basay-Yıldız ließ sich aus der Liste löschen, wie sie Telepolis in einem Schreiben mitteilen ließ, nachdem ich das dort öffentlich gemacht hatten. Der Nachweis ist jedoch im Netz noch zu finden. 

2018 vertrat Tarig Elobied gemeinsam mit Ali Aydın vier junge Männer in einem Verfahren, in dem ihnen vorgeworfen wurde, in IS-Gebiet ausreisen zu wollen, um sich dort „an Waffen und Sprengstoff ausbilden zu lassen“. Der Berliner Morgenpost zufolge soll Emrah C., den Tarig Elobied in dem Verfahren verteidigte, „im Dschihadisten-Treff der Moabiter Fussilet-Moschee […]eine führende Rolle gespielt haben.“ In besagter Moschee verkehrte auch Anis Amri, der als Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz gilt. Bei dem Terroranschlag mit einem LKW kamen am 19. Dezember 2016 elf Besucherinnen und Besucher des Weihnachtsmarktes um, 55 weitere wurden verletzt. Der Fahrer des LKW wurde erschossen. Die Fussilet-Moschee spielt auch in einem anderen Verfahren eine Rolle, bei dem Tarig Elobied ebenfalls als Verteidiger auftrat. Dem 31jährigen Magomed-Ali C. wurde vorgeworfen, einen Sprengstoffanschlag – möglicherweise auf das Berliner Einkaufszentrum „Gesundbrunnen-Center“ – geplant zu haben; gemeinsam mit einem weiteren Islamisten namens Clément B., der in Frankreich angeklagt wurde. Auch Anis Amri soll „für einige Wochen im Oktober 2016 dabei gewesen sein“. Magomed-Ali C. soll „zum inneren Kreis der drei Anführer“ der berüchtigten Moschee gehört haben. 

Selbstverständlich kann es Zufall sein, dass Mandantinnen und Mandanten aus dem salafistischen Milieu sich ausgerechnet an Verteidiger Tarig Elobied wenden und er wieder rein zufällig das Mandat für die treusorgende Hausfrau Omaima A. erhielt. Möglicherweise ist das aber auch ein Indiz dafür, dass in Deutschland eine gut vernetzte salafistische Szene existiert, die auf die Unterstützung bürgerlich wirkender Anwälte bauen kann – die genauso wenig harmlos sind wie ihre Mandantschaft. 

 

 

Dieser Text ist eine Zusammenfassung verschiedener Artikel, die in den Internetmagazinen Telepolis sowie Mena Watch veröffentlicht wurden: 

https://www.heise.de/tp/features/Nichts-sehen-nicht-hoeren-nichts-ermitteln-4437510.html?seite=all 

https://www.heise.de/tp/features/Hamburg-3-Jahre-und-6-Monate-Haft-fuer-Omaima-A-4919049.html 

https://www.mena-watch.com/terroristin-oder-treusorgende-mutter/

 


 

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