No to "Contemporary Muslim Fashion"!




Ab April wird im "Frankfurter  Museum Angewandte Kunst" die Ausstellung "Contemporary Muslim Fashion" zu sehen sein, in der der Schleierzwang als hipper Modetrend vermarktet wird. Geschlechterapartheit als must have im Modesommer 2019. 
Dieser Kleiderzwang wird in der Ausstellungsankündigung als „modest fashion“ bezeichnet. Wobei die Zuschreibung „modest“ (bescheiden) schon aussagt, um was es geht: Die züchtige Verhüllung von Frauen. Nur stylisch und farbenfroh präsentiert, im Gegensatz zu den dunklen, gedeckten Farben, in denen wir Hijab und Burka sonst zu sehen bekommen. Geschlechterapartheit in bunt statt braun! 
Die "Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung", eine Initiatitive iranisch-stämmiger Frauen, hat in einem offenen Brief an den Museumsleiter deutliche Worte gefunden, ihrem Entsetzen darüber Ausdruck zu verleihen.
Wir bedanken uns, dass wir diesen offenen Brief hier veröffentlichen dürfen: 

Sehr geehrter Herr Prof. Matthias Wagner K,

wir, die Gruppe „Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung“, sind entsetzt, dass Sie die Ausstellung „Contemporary Muslim Fashions“ hier nach Frankfurt in die Wiege der deutschen Bürgerrechte geholt haben. Diese Ausstellung, die religiöse Kleidervorschriften als hippen Modetrend darstellt, ist ein Schlag ins Gesicht inländischer und ausländischer Frauenrechtlerinnen. Sie machen sich damit der Religionspolizei in manchen islamischen Ländern gemein.

Mit dieser Ausstellung ignorieren Sie den Kampf von Frauenrechtlerinnen in islamischen Staaten, die sich gegen den Zwang zu Verschleierung und Verhüllung einsetzen und dafür ihre Freiheit, ihre Unversehrtheit und ihr Leben riskieren. Jedes Jahr werden gegen Tausende von Frauen im Iran Strafen wegen Verstoßes gegen die Kleidervorschriften ausgesprochen. 

Sie dagegen bieten diesem Kleidungsdiktat eine Plattform, als sei es den betroffenen Frauen möglich, sich selbstbestimmt, bunt und mondän zu kleiden. Was glauben Sie, wie viele Frauen in den islamischen Ländern tatsächlich Zugang zu dieser „Contemporary Fashion“ haben? Es ist, wenn überhaupt, eine kleine, elitäre Schicht. Und selbst die tragen solche Kleidung nur zu bestimmten Anlässen, innerhalb der Familie, im Urlaub oder wenn sie ausschließlich unter Frauen sind.
Indem Sie Verhüllung und Schleier prioritär als Mode präsentieren, verharmlosen Sie den Ursprung, woher diese Mode kommt: Nämlich die Religion, mithilfe derer die Hälfte der Bevölkerung – die Frauen – in islamischen Staaten unterdrückt wird. Genau wie die westlichen ModemacherInnen verkennen Sie, dass die sogenannte Freiwilligkeit, mit der sich Models oder sogenannte modebewusste muslimische Frauen verhüllen, eine antrainierte Haltung ist. Wir wissen aus eigener Erfahrung: Wenn ein Mädchen von klein auf vermittelt bekommt, dass eine unverschleierte Frau „unrein“, „nicht sittsam“, „unehrenhaft“ ist, und wenn die Familie und das soziale Umfeld keine oder nur Alternativen aufzeigt, die mit Ausgrenzung und Schuld verknüpft sind, dann kann dies nicht als freiwillig bezeichnet werden. Insofern sind auch keine ehrlichen Aussagen zur freiwilligen Verhüllung zu erwarten. Die Kopfbedeckung als Mode könnte in Deutschland bei manchen als „Wahl“ angesehen werden. In vielen islamischen Ländern haben die Frauen gar keine Wahl und müssen sich verhüllen. 

Die Trennlinie verläuft daher nicht zwischen morgen- und abendländischer Mode, sondern zwischen solchen Frauen, denen ihr Umfeld die Wahl ihrer Kleidung überlässt und solchen Frauen, denen ihr Umfeld diese Wahl nicht lässt; zwischen verschleierten und freien Frauen.
Diese Ausstellung versucht, die Macht des "modischen Diktats" mit der Macht einer Religionsvorschrift  zu vereinbaren.  Mit der Darstellung von verschleierten Frauen übernehmen Sie das rückwärtsgewandte Frauenbild islamischer Staaten und der islamistischen Bewegung. Darin wird die Frau prioritär als Sexualobjekt begriffen, deren Reize zu verbergen sind. Um sich vor den lüsternen Blicken der Männer zu schützen, wird von den Frauen erwartet, sich zu verschleiern. Ein solches Geschlechterverständnis darf in einer öffentlichen Institution wie in Ihrem Haus in einem säkularen Staat wie Deutschland nicht gefördert werden. 

Ihre Ausstellung vergisst den Fortschritt, den die Frauenbewegung seit über 100 Jahr gemacht hat. Vor einem halben Jahrhundert haben Frauen sich hierzulande mit der Minirock-Bewegung und dem öffentlichen Verbrennen von Büstenhaltern das Recht erstritten, ihren Umgang mit Kleidung frei zu wählen. Frauen haben es sich hier erkämpft, bequem, dem Klima entsprechend und lässig angezogen sein zu dürfen. Glauben Sie wirklich, dass die Verhüllung der Frauen – und speziell des Kopfes mit dem Plastikuntergestell zum Schutz der Haare und dem darüber gewickelten Kopftuch – praktisch und bequem ist? Wir haben es selbst erfahren: Es ist eine Einschränkung in der Bewegung, da nichts verrutschen darf. Ganz zu schweigen von der Unannehmlichkeit, in heißen Sommer sich so zu kleiden, während muslimische Männer kurze Hosen tragen und ihre Arme nicht bedecken.
Ihre Ausstellung liefert konservativen muslimischen Kreisen in Deutschland Argumente, warum sie Mädchen nicht zum Sportunterricht schicken müssen. Sie erschwert jungen Mädchen aus diesen Kreisen, sich den Kleidervorschriften zu widersetzen und für ihre Bekleidungsfreiheit zu kämpfen.

Es ist absurd, dass ausgerechnet in dem Jahr, in dem die Errungenschaften der Frauenrechte deutschlandweit gefeiert werden, mit einer Ausstellung unweit der Paulskirche eine Kleiderordnung protegiert wird, mit der die Hälfte der Bevölkerung in muslimischen Ländern und auch in den muslimischen Communities in Deutschland unterdrückt wird. Daher ist es zynisch, diesen Kleiderzwang als neuen Modetrend „modest fashion“ zu bezeichnen. Wobei die Zuschreibung „modest“ schon aussagt, um was es geht: Die züchtige Verhüllung von Frauen. Nur stylisch und farbenfroh präsentiert, im Gegensatz zu den dunklen, gedeckten Farben, in denen wir Hijab und Burka sonst zu sehen bekommen. Geschlechterapartheit in bunt statt braun! Welcome to Germany 2019!

Daher fordern wir Sie auf:

Schaffen Sie im Museum für Angewandte Kunst eine neutrale Atmosphäre, in denen Frauen und Männer gleichberechtigt miteinander kulturelles Gut erleben und erfahren können.

Hinterfragen Sie die Religion, die hinter dieser sogenannten Mode steht, im Sinne der Aufklärung und der Menschenrechte kritisch. Schützen Sie die Neutralität Ihres Hauses!

Wir erwarten, dass das Museum keine Weltanschauung unterstützt, welcher überholte Rollenzuschreibungen von Frauen und Männern zugrunde liegt und gleichzeitig gegen Menschenrechte verstößt!





Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung

Frankfurt, den 18.03.2019




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