Lea Tsemel, Anwältin








Text: Juliane Beer

Zu später Stunde lief gestern die Dokumentation Lea Tsemel, Anwältin 
im öffentlich-rechtlichen TV.

Lea Tsemel ist israelische Jüdin, Kind von Opfern der Shoa.
Als Anwältin vertritt sie arabische AttentäterInnen in Israel.
Ihr Motto, wie zu Anfang des Films von ihr selbst eingesprochen, lautet: Israel hat nicht das Recht, Palästinensern vorzuschreiben, wie sie ihren Kampf zu führen haben.

Nach dieser Einführung ist man versucht zu glauben, dass Tsemel aus Gesinnung handelt, und nicht lediglich deshalb MandantInnen vertritt, weil jeder Mensch, der eines Verbrechens angeklagt wird, Recht auf Beistand hat. Dass das gewollt ist und Tsemel es als akzeptabel erachtet, Gewalt und Mord als legitime Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen einzusetzen, meint man im folgenden dem Subtext des Films zu entnehmen.
Tsemels kurze Unterredung mit einem arabischen Jungen macht den Anfang. Er ist des Mordes angeklagt, sie wird seine Verteidigung übernehmen. Nach ihren vorangegangenen Bekundungen folgt man dem Dialog beeinflusst. Kann schwerlich zu dem Schluss gelangen, dass Tsemel das tut, was die Aufgabe jeder Strafverteidigerin im Falle eines Mordprozesses ist – den vermeintlichen Mörder mit Hilfe professionellen Abstands zu verteidigen.
Auch nach weiteren Filmsequenzen wird deutlich, dass es geradezu unmöglich ist, aufgrund der konsequent einseitig in Tsemels Logik dargebotenen Szenen dem Film wie einer gewöhnlichen Dokumentation zu folgen. Es ist die Machart nach uraltem Muster – Jüdinnen und Juden existieren nicht um ihrer selbst willen, sondern sie existieren aus einem einzigen Grund: sie sind angetreten, um der Menschheit größtmöglichen Schaden zuzufügen. Die Existenz Israels erfüllt laut des Films lediglich einen einzigen Zweck, nämlich den, AraberInnen zu quälen, zu unterdrücken, auszurotten.

Lea Tsemel, Anwältin ist eine verstörende Dokumentation. Sie spielt im luftleeren Raum. Anders als bei einer Dokumentation üblich entfallen hier Kontext, Geschichte, Gegenstandpunkte. Zusammenhänge werden konsequent ausgeblendet. 
Würde man von den Zuständen in der arabischen Welt absolut nichts wissen, wäre man nach Anschauen der Dokumentation sicher, dass die arabische Welt ein Hort von Demokratie und Menschenrechten ist. Man wäre sicher, arabischen Israelis gehe es in muslimisch geprägten Nachbarländern gut, sie genössen dort BürgerInnenrechte, würden willkommen geheißen. Man würde meinen, unlautere Verhörmethoden wären eine israelische Spezialität, die sonst nirgendwo auf der Welt Anwendung fände. Man würde glauben, kein Staat dieser Welt habe je, nachdem er von Nachbarstaaten angegriffen wurde, daraufhin Krieg führen musste und schließlich gewann, Gebiete eingenommen. Man würde nicht auf den Gedanken kommen, dass tausende von Jüdinnen und Juden aus arabischen Ländern vertrieben und ihres Hab und Guts beraubt wurden. Man wüsste nichts von der Terrororganisation Hamas, die nicht nur gegen die jüdische sondern auch gegen die eigene Bevölkerung im Gazastreifen vorgeht, was erst kürzlich wieder zu Aufständen führte, die blutig niedergeschlagen wurden. 
Und man würde nicht auf den Gedanken kommen, dass Frieden zwischen der jüdischen und muslimischen und christlichen Bevölkerung möglich ist, was sich zum Beispiel in der Realität daran zeigt, dass zahllose AraberInnen in israelischen Kliniken und Behörden arbeiten.

Doch man weiß um all das. Deshalb stellt man sich während des Films unweigerlich Deutsche vor, die im polnischen Grenzgebiet ganze Landstriche in Brand setzen, weil ihre Vorfahren hier einst lebten und vertrieben wurden. Man fragt sich, warum Erika Steinbach nicht die Zuneigung oder zumindest das Verständnis der internationalen und besonders der deutschen Linken genießt. Man denkt an all die Linken, die gegen jeden Nationalismus wettern, aber sofort bereit sind, Nationalbewegungen zu unterstützen, wenn es arabische Nationalbewegungen in Israel sind. 
Aber ganz besonders fragt man sich, warum Tsemel sich nicht in Organisationen einbringt, wo arabische und jüdische AktivistInnen gemeinsam Strategien für einen Frieden oder zumindest Waffenstillstand im Land erarbeiten.
Ist Tsemels Handeln damit zu erklären, dass sie eine Frau ist, und Frauen eben nach wie vor dahingehend sozialisiert werden, dass sie sich derer anzunehmen haben, die sich am beharrlichsten als Opfer gerieren?
Oder geht es hier schnöde um die uralte Forderung, nach der man zwar den Staaten dieser Erde zugesteht, sich und ihre BürgerInnen im Angriffsfall zu schützen, Israel dies aber unbedingt zu unterlassen habe?

Die Dokumentation Lea Tsemel, Anwältin ist ein arabischer Propagandafilm, der in keinem Moment nach Friedensmöglichkeiten fragt. Und als solcher ist er gelungen.
Es stellt sich die Frage, warum ausgerechnet deutsche FernsehkonsumentInnen das (zwangs)mitfinanzieren müssen.

Ab sofort in der Mediathek:



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