Linke Verhältnisse - Teil III


 

Text: Birgit Gärtner

Wie die Linke den Islam lieben lernte 

Anfang der 1980er Jahre bekam die Friedensbewegung aufgrund der aktuellen Kriegsgefahr und des Wettrüstens der beiden Blöcke – West und Ost – Aufschwung. Hunderttausende demonstrierten in Bonn, Millionen artikulierten ihren Friedenswillen schriftlich, z. B. mit dem „Krefelder Appell“.
Die Friedensbewegung war erfolgreich, es wurde abgerüstet, Friedensverhandlungen geführt. Damit hatte sie sich nicht unbedingt überflüssig gemacht, jedoch war ein starker Rückgang zu verzeichnen.
Der Zusammenbruch des Sozialismus ließ kurzfristig die Hoffnung auf eine friedlichere Welt aufkeimen. Leider wurde diese Hoffnung zunichte gemacht. Als die Mauer in Berlin fiel, hatten gerade der Iran und der Irak im 1. Golfkrieg acht Jahre erbittert gegeneinander gekämpft, 1991 kam es zum Einmarsch irakischer Truppen in Kuwait. Das war der Beginn des 2. Golfkriegs und des 1. Irakkriegs.

10 € für den irakischen Widerstand
Am ersten Wochenende im Dezember 1994 versammelten sich Friedensbewegte aus ganz Deutschland in Kassel zum ersten „Kasseler Ratschlag“. Eingeladen hatten die „AG Friedensforschung“ der Uni Kassel gemeinsam mit dem „Bundesausschuss Friedensratschlag“. Diejenigen, die sich in Kassel im Dezember 1994 trafen und fortan jedes Jahr am ersten Dezember-Wochenende treffen würden, waren die Altvorderen der Friedensbewegung der 1908erJahre: Kommunisten, SPD-Mitglieder, Grüne, Gewerkschafterinnen und nicht parteipolitisch gebundene, Pax Christi, etc. diesem Spektrum nahestehende Personen. Später kamen Aktive aus mehr als 150 Gruppierungen zusammen.
Im Laufe der Zeit gab es Reibungen, einige nahmen teil, gingen mit der politischen Ausrichtung nicht konform, kamen nie wieder, andere wurden zu Kritikern, es existierten gleichzeitig oder entstanden andere Strömungen der Friedensbewegung, die allen Widersprüchen zum Trotz immer wieder zusammenfanden.
1999, anlässlich des Jugoslawien-Kriegs, hatte die Friedensbewegung wieder Zulauf, die Ostermärsche wurden reaktiviert, unzählige Kundgebungen, Veranstaltungen, Symposien, etc. wurden abgehalten.
Diese Phase wurde durch den „War on Terror“ 2001 gegen Afghanistan und 2003 den 3. Golfkrieg und 2. Irakkrieg verlängert. Und damit auch die einseitige Positionierung gegen „die Amis“, die schon 1999 neuen Aufschwung erfahren hatte.
An dieser Stelle möchte ich nicht diese militärischen Konflikte und damit verbunden Schuld und Unschuld erörtern, sondern lediglich die Gemütslage in der Linken, insbesondere der Friedensbewegung schildern.
Diese Positionierung deckte sich, was Afghanistan anbelangte, mit der Wahrnehmung dieses militärischen Konflikts seitens der islamischen Welt. Die sich allerdings im Hinblick auf den Irak-Krieg sehr bedeckt hielt, schließlich hatte dieser Krieg die weitestgehend säkulare Herrschaft des Regimes Saddam Husseins beendet. Islamischen Terrorgruppen war es gelungen, das Machtvakuum zu füllen, das nach dessen Sturz entstanden war. Sie meldeten aggressiv und extrem gewaltsam ihren Herrschaftsanspruch an. In dieser Gemengelage entstand u.a. die „Iraqui Patriot Alliance“, ein Zusammenschluss linker und fundamental-islamischer Gruppierungen.
Im Herbst 2003 erfolgte dann der Paradigmenwechsel in der Friedensbewegung und in weiten Teilen der Linken. Aktivisten aus der Friedensbewegung starteten die Kampagne „10€ für den irakischen Widerstand“. Dabei ging es gar nicht so sehr um das Geld an sich, als darum, „ein Zeichen zu setzen, dass der Widerstand gegen die militärische Besatzung legitim“ sei. Damals gab es im Irak noch zivilgesellschaftliche Organisationen, z. B. Gewerkschaften, Öko- und Frauengruppen, aber die Solidarität galt der „Iraqui Patriot Alliance“. Damit wurde Widerstand von emanzipatorischen Inhalten gekoppelt, und durch Aktionen gegen die Besatzer, letztlich Terror, ersetzt. So wurden ganz entscheidend die Weichen für die weitere Entwicklung gelegt. 

Eine Iran freundliche Sicht setzt sich durch
Wenig später rief die Friedensbewegung in Kassel den Iran-Krieg aus. Spätestens im Frühjahr würde der beginnen, hieß es Anfang Dezember 2005. Allgemeine Empörung machte sich breit, Demos wurden geplant, Resolutionen verfasst, etc. Allerdings gab es auch einige skeptische Stimmen, schließlich waren die Schiiten enge Verbündete der USA im Kampf gegen den Terror im Irak. Der Krieg brach bekanntermaßen nicht aus, das Spiel wiederholte sich 3, 4 Jahre lang alljährlich Anfang Dezember in Kassel.
In der Zwischenzeit wurde ordentlich am Opfer-Mythos des Regimes in Teheran gestrickt. Als der damalige Präsident Mahmut Ahmadinedschād mit dem Satz zitiert wurde, er wolle Israel von der Landkarte tilgen, beeilten sich Linke, eine Übersetzung zu liefern, die ein anderes Licht auf seine Aussage warfen und ihm zum Opfer eines internationalen Medienkomplotts stilisierten. Verbreitet wurde diese Übersetzung von der Gruppe „Arbeiterfotographie Köln“. Urheberin dieser Übersetzung ist vermutlich die Islamwissenschaftlerin Katajun Aimapur, Ehefrau des für das Amt als Bundespräsidenten vorgeschlagenen Schriftstellers Navid Kermani. 
Mitglieder der Gruppe "Arbeiterfotographie Köln" reisten schließlich auch in den Iran und schüttelten dem damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschād gerührt die Hand. „Arbeiterfotografin“ Anneliese Fickentscher ließ es sich nicht nehmen, sich verhüllt gemeinsam mit Fatima Özoǧuz und den männlichen Teilnehmern der Reisegruppe in iranischen Medien ablichten zu lassen und etwas von der Wertschätzung zu faseln, die iranische Mütter erführen, viel mehr als anderswo auf der Welt.  Unterstützung bekam die Kölner Truppe durch Sabine Schiffer und deren Erlanger „Institut für Medienverantwortung“, die Jahr für Jahr in Kassel Vorträge hielt über die mediale rassistische Darstellung des Islams und der islamischen Welt.

Die Linke als Mediatorin im Religionsstreit
2006 eröffnete die Hamburger PDS den „interreligiösen Dialog“. Schon vorher gab es im „Hamburger Forum“ und auch in der PDS Auseinandersetzungen um die Zusammenarbeit mit der SCHURA, dem „Rat der islamischen Gemeinschaften“. Eigentlich gab es die Verabredung, nicht mit der SCHURA zusammenzuarbeiten. Eigentlich. Zum einen setzte sich die PDS mit dieser Veranstaltung darüber hinweg, zum anderen kam es später zu gemeinsamen Demonstrationen anlässlich des Gaza-Kriegs.
Zu diesem „Interreligiösen Dialog“ der wurde ein Vertreter der SCHURA geladen, Norbert Müller, Anwalt, deutscher Konvertit, dessen Job es bis heute ist, der erstaunten Öffentlichkeit die Vereinbarkeit von Scharia und Grundgesetz zu erläutern, außerdem ein Mitglied der PDS, der zugleich einer der Hauptakteure des „Hamburger Forums“ war, der damalige PDS-Bundestagsabgeordnete Norman Paech sowie der jüdische Psychologieprofessor Rolf Verleger. Die Moderation hatten zwei Frauen, eine von der PDS, jetzige stellvertretende Bürgerschaftspräsidentin der LINKEN, und eine Hijab-Trägerin von der SCHURA. Vorm Eingang standen nette junge Männer mit Rauschebart und verteilten religiöse Materialien.
Rolf Verleger erklärte zu Beginn der Veranstaltung, er verlange für gewöhnlich von Vertretern islamischer Organisationen eine Distanzierung von den Selbstmordattentaten, ansonsten weigere er sich, mit ihnen zu diskutieren. Damit erntete er den Widerspruch des SCHURA-Vertreters. Irgendwie wurde dieser Konflikt zur allgemeinen Zufriedenheit gelöst.
Verleger wurde danach schnell zum Shooting-Star der Friedensbewegung, obwohl er sich 1999 für den Jugoslawien-Krieg ausgesprochen hatte und dessen Ablehnung sozusagen das Kerngeschäft der Friedensbewegung war, und zum Dauergast beim „Kasseler Ratschlag“, der das Thema „Nahost-Konflikt“ prominent besetzte. In drei Einheiten mit Workshops zu verschiedenen friedenspolitischen Themen gab es jeweils einen zum Thema Israel. Zu dem Zeitpunkt kam keine Veranstaltung der Friedensbewegung, kein Flugblatt, keine Rede bei Demos ohne das Thema aus. Es war eine regelrechte Besessenheit.
Anfang 2009, während des Gaza-Kriegs, kam es dann zu einer gemeinsamen Demo der Friedensbewegung mit der SCHURA. Am Jungfernstieg wehten Fahnen der HAMAS, der Hisbollah und der Grauen Wölfe.
Im Mai 2010 brachen die LINKEN-Bundestagsabgeordneten Annette Groth, Inge Höger und Norman Paech  mit der Gaza-Flotille auf. Die wurde bekanntermaßen von der israelischen Marine angegriffen, dabei kamen Menschen ums Leben. So konnten die drei sich wunderbar als Opfer inszenieren.
Im November 2012 wurde in Hamburg der Staatsvertrag mit der SCHURA und anderen muslimischen Verbänden unterzeichnet. Dieser Schritt wurde auch von der Bürgerschaftsfraktion der Linkspartei „begrüßt“, die bis heute trotz aller Widrigkeiten am Staatsvertrag festhält. Verhandelt wurde der Staatsvertrag vom SPD-Senat, mit Innensenator Michael Müller, der zu dem Zeitpunkt verheiratet war mit Aydan Özoğuz. Die SPD-Politikerin war zunächst in der Hamburger Bürgerschafts-, dann in der Bundestagsfraktion migrationspolitische Sprecherin und später die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. Mindestens seit 2011 sind Kontakte zu einer Szene bekannt, die ideologisch der Muslimbruderschaft nahesteht. Als Integrationsbeauftragte der Bundesregierung förderte und erweiterte sie ein Netzwerk, dessen Bestreben es ist, für ein positives Islambild in den Medien, der Wissenschaft und der Politik zu sorgen. Dieses Netzwerk beschreibe ich ausführlich in meinem im Frühjahr 2020 erscheinenden Buch „Das Scharia-Kartell – Fundamental-islamische Netzwerke in Deutschland“. 

Der Islam wird komplett ausgeblendet
2014 begannen die militärischen Angriffe auf Rojava, im Herbst fand in Hamburg eine Soli-Demo statt. Im Anschluss daran kam es im Stadtteil St. Georg zu gewaltsamen Ausschreitungen bis dato nicht gekannten Ausmaßes in der durch die Auseinandersetzungen im Stadtteil Sternschanze an Kummer gewöhnten Stadt. Mit Eisenstangen bewaffnete erzürnte Muslime standen vor dem kurdischen Verein im Stadtteil St. Georg und griff die von der Demo rückkehrenden Menschen an. Diese nahmen ebenfalls als Waffe zur Hand, was ich am Wegesrand so anfand. Beide Seiten aktivierten via soziale Medien Mitstreiter, die Ansammlung wurde immer größer. Die Polizei schritt schließlich ein. Der Stadtteil befand sich tagelang im Ausnahmezustand. Wenig später gab die Fraktionsvorsitzende der Hamburger LINKS-Fraktion, Cansu Özdemir, ihres Zeichens kurdische Alevitin, gemeinsam eine Pressekonferenz mit der SCHURA, auf der die Gewalt ausnahmslos verurteilt wurde.
Nach der Gründung des islamischen Kalifats 2014 im syrischen Raqqa war die Ausreise von Jugendlichen ins IS-Kalifat aus Hamburg ein großes Thema und der Vorwurf wurde laut, die Jugendlichen seien in den Moscheen, auch den SCHURA-Moscheen, radikalisiert worden. Trotzdem blieb der Staatsvertrag bestehen, die LINKE „begrüßte“ das wieder einmal.
Die Linke/LINKE blendet im Zusammenhang mit Erdoǧan, selbst bei DITIB, das Thema „Islam“ komplett aus. Das System wird reduziert auf ein repressives Regime, das es zweifelsohne auch ist, die Motivation, Nationalismus gepaart mit religiösem Fundamentalismus, wird komplett ignoriert. Musliminnen und Muslime werden pauschal zu Opfern stilisiert, die reaktionären Verbände als deren legitime Interessensvertretung begriffen – unabhängig davon, wie sehr deren  Vorstellungen und Forderungen den allgemeinen Menschenrechten diametral gegenüber stehen, denen sich eine progressive Bewegung eigentlich verpflichtet sehen sollte.




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