Hamburg: Kotau vor dem islamischen Fundamentalismus
Text: Birgit Gärtner
Weil er eine junge Muslimin nicht mit Hijab arbeiten lassen wollte, musste der Leiter zweier Filialen der Supermarktkette Edeka seinen Posten räumen
Mitte Juni 2020 wurde eine muslimische
Schülerin vom Leiter einer Hamburger Edeka-Filiale
als Aushilfskraft abgelehnt, weil sie sich weigerte, während der Arbeitszeit
auf das Tragen ihres Hijabs zu verzichten. Sie inszenierte sich mittels eines Videos, das sie in sozialen
Netzwerken verbreitete, als Rassismus-Opfer, engagierte den in fundamental-islamischen
Kreisen offenbar einschlägig bekannten Anwalt Yalçın Tekinoğlu, bekam in ihrer Opferrolle
Unterstützung aus Zivilgesellschaft und Politik, Edeka wurde Stadtgespräch und Medienthema, sie bekam eine
Entschädigung und der verantwortliche Filialleiter war am Ende kein
Filialleiter mehr. Willkommen in Deutschland im 21. Jahrhundert.
Gemeinsam mit zwei Freundinnen
bewarb sich die 16jährige Miriam Mitte Juni 2020 bei einer Edeka-Filiale im "Krohnstieg-Center" im Stadtteil Langehorn um einen Ferienjob. Alle drei
wurden angenommen. Jedenfalls zunächst. Bis sie sich an ihrem Probearbeitstag
am 16. Juni 2020 weigerte, der Aufforderung des Filialleiters nachzukommen und
ihren Hijab abzulegen. Schon nach kurzer Zeit war Miriam wieder ohne Job, Edeka Ziel eines Shitstorms und der Filialleiter
seines Postens enthoben. Obwohl er sich entschuldigte, wie auch die
Konzernleitung, die dem Mädchen dem Internetportal
Islamiq.de zufolge eine Entschädigung in nicht genannter
Höhe zahlte. Laut Bild hat der Marktleiter „mittlerweile seine beiden Märkte in Hamburg
an die Edeka-Genossenschaft abgegeben und wird sie nicht mehr selbst
betreiben.“ Die Kette ist ein Franchise-Unternehmen und jede Filiale nach den
Vorgaben des Konzerns inhabergeführt.
Inszenierung als Rassismus-Opfer
Nachdem sie den Job nicht
bekommen hatte, nahm Miriam am selben Abend ein Video auf, das sie auf Instagram einstellte. Während sie sprach
kamen ihr die Tränen. Diese Tränen werden Gold wert sein, wie sich später
herausstellen wird. Zum einen bescherten sie ihr eine finanzielle Entschädigung
und schon nach wenigen Tagen mehr als 1 Mio. Klicks, inzwischen mehr als
1.650.000. Scharia-Propaganda at it´s best. Gold wert vor allem für die
reaktionären islamischen Verbände, die für die Etablierung der Scharia kämpfen.
Ein Kampf, in dem vor allem Frauen mit Hijab eine große Rolle spielen. Ein
sanfter, eine Art seidener Dschihad, in dem die Dschihadistinnen offenbar immer
jünger werden.
Wer nicht wisse, weshalb sie das
Kopftuch trüge, sein ungebildet, so die 16jährige in dem Video. Wirklich – und vor
allem richtig – beurteilen können das ihrer Ansicht nach nur Menschen, die ausgebildete
Theologen sind. Nein, Miriam, um zu wissen, dass ich das nicht will, muss ich
nicht Theologie studiert haben, sondern das Leben. Insbesondere das Leben in
der islamischen Welt, die Lage der Frauen dort und deren verzweifelten Kampf
gegen die islamische Kostümierung, die nicht wenigen das Leben kostete und in
dem jede das ihre aufs Spiel setzt. Und nicht Du wurdest als Aushilfe
abgelehnt, sondern Deine extremistische Kampfmontur.
Das Video brachte das gewünschte
Resultat: der Vorfall erregte große Aufmerksamkeit. Unter anderem nahm die
Vereinigung „Realität
Islam“ sich dessen an.
„Realität Islam“ wird im
aktuellen Verfassungsschutzbericht
eine „ideologische Nähe“ zur verbotenen „Hizb ut-Tahrir“ (HuT) attestiert. Laut
HuT hätten
<<
„unterdrückte“ Muslime das Recht
auf „Selbstverteidigung“ mit allen Mitteln.
Als Konsequenz werden Gewalttaten
anderer islamistischer Gruppierungen oftmals gebilligt. Ein weiteres Charakteristikum
der HT ist ein ausgeprägter Antisemitismus.
>>
Dass diese den Fall für sich
nutzen in selbstverständlich nicht der jungen Hamburgerin anzulasten. Ein Instagram-Video kann jeder verlinken –
auch ohne Einverständnis der Person, die es erstellt hat.
Knapp 1.000 Personen reagierte
mit Likes oder Herzchen auf das Video auf der Facebook-Seite von „Realität
Islam“, der Beitrag wurde 369 Mal geteilt. Um mal einen kleinen Einblick in die
Denkweise orthodoxer Muslime zu geben: Nachdem der erste Ärger über die
angebliche antimuslimische Diskriminierung „der Schwester“, wuchs die Besorgnis, ob es nicht besser für sie sei, dass sie abgelehnt
wurde, denn es sei ohnehin haram, dort zu arbeiten, das Edeka Alkohol und Schweinefleisch im Sortiment habe. Diese Besorgnis
nahm offenbar Überhand, so dass mit einem Video
darauf reagiert wurde, in dem dazu aufgerufen wird, die Empörung über die
Ablehnung „der Schwester“ nach außen zu tragen, die Frage, inwieweit eine
anständige Muslimin solche Jobs ausüben darf, jedoch intern zu klären.
In dem Video gab sich Miriam abwechselnd
verzweifelt und kämpferisch. Sie werde sich das nicht gefallen lassen, sie
werde um ihre Rechte kämpfen und sich beschweren. Es gibt aber kein Recht aus
Extremismus – auch nicht auf religiösen. Wie dem Internetportal Islamiq.de
zu entnehmen ist, engagiert sie für diesen Kampf für ihr Recht den
Heidelberger Anwalt Yalçın Tekinoğlu, der im Zusammenhang mit der Durchsetzung
des Hijabs in der Arbeitswelt Erfahrung hat.
Islamiq.de steht der „Islamischen Gemeinschaft Millî
Görüs“ (IGMG) nahe. Die „Millî Görüs“-Bewegung und zugeordnete
Vereinigungen“ werden im aktuellen
Verfassungsschutzbericht mit etwa 10.000 Anhängerinnen und Anhängern als
größte islamistische Vereinigung in Deutschland aufgeführt. Allerdings betont die deutsche IGMG ihre
Eigenständigkeit und grenzt sich – zumindest verbal – von der in der Türkei
ansässigen „Millî Görüs“-Bewegung ab. Der Verfassungsschutz ordnet die IGMG
jedoch in dieses Spektrum ein, von dem es im kürzlich veröffentlichten Verfassungsschutzbericht
heißt :
<<
Legalistische Strömungen wie die
„Millî Görüş“-Bewegung versuchen, über politische und gesellschaftliche
Einflussnahmen eine nach ihrer Interpretation islamkonforme Ordnung
durchzusetzen.
>>
Die IGMG betreibt rund 200
Moscheen in Deutschland und bekommt auch Imame von der türkischen
Religionsbehörde DIYANET gestellt; allerdings sind nicht ausschließlich alle
Imame dort türkische Staatsbedienstete.
Islamischer Fundamentalismus ist schon lange Mainstream geworden
„Anti-muslimischer Rassismus“
heißt das Zauberwort, mit dem Stimmung für die Akzeptanz des islamischen
Fundamentalismus gemacht wird. Gefördert und finanziert von Organisationen wie
der IGMG und ihr nahestehender Anwältinnen und Anwälte. Mit großem Erfolg, wie
das Beispiel zeigt – und mit drastischen Folgen für jene, die sich diesem Druck
nicht beugen (wollen).
„Kein Job
wegen Kopftuch“ titelte Bild;
„Rassismus-Vorfall
bei Edeka Hamburgerin (16) wegen Kopftuch diskriminiert“ schrieb die Hamburger Morgenpost (MOPO); „Filialleiter
lehnt 16-jährige Bewerberin wegen Kopftuch ab“, die
Süddeutsche.
Auch der
SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Danial Ilkhanipour sprang dem Mädchen bei:
<<
„Ich beobachte,
dass der Rassismus immer unverhohlener und offener zur Schau getragen wird“,
sagt er zur MOPO. Es gebe Menschen, die nicht möchten, dass Menschen mit
ausländischen Wurzeln gleichbehandelt werden. „Sie wollen mit Worten und Taten
alte Zustände wieder herstellen, in denen Menschen mit Migrationsgeschichte
buckeln und sich alles sagen lassen“, sagt er.
…
„Früher haben wir diskutiert, ob Personen mit
Migrationshintergrund bei der Wohnungs- oder Jobsuche wirklich benachteiligt
werden, oder ob diese sich das nur einbilden. Jetzt wissen wir: Das ist keine
Einbildung, es gibt Diskriminierung“, so Ilkhanipour.
>>
Islamischer
Fundamentalismus sei inzwischen zum Mainstream geworden, schreiben Nina Scholz
und Heiko Heinisch in ihrem Buch „Alles für Allah – Wie der politische Islam
unsere Gesellschaft verändert“. Zumindest in Hinsicht auf Hamburg kann daran
kein Zweifel bestehen.
Islamischer Fundamentalismus als Bedrohung
für Ex-Muslime
Lediglich
säkulare und Ex-Muslime kritisierten den Hijab und nicht den Filialleiter.
Der
Kölner Schwulen-Aktivist Ali Utlu kommentierte auf Facebook einen ähnlichen Vorfall
in einem Fitnessstudio folgendermaßen:
<<
Der Punkt ist eben der, ich
würde wegen Frauen mit Kopftuch das Studio nicht besuchen. Ihr Kopftuch steht
für eine Ideologie, die mich als ex Muslim und auch als Homosexuellen töten
will. Ich habe da eine null Toleranz Politik für mich. Ich habe da kein
Mitleid.
>>
Den Hamburger Fall, der von der
Organisation „Realität Islam“ aufgegriffen wurde, fand
er ebenfalls kritische Worte:
<<
Die ganzen türkischen
Supermärkte in Köln die ich kenne, haben nicht einen einzigen deutschen
Angestellten, aber jede deutsche Kette auch ausländische Mitarbeiter. Warum?
Das [„Realität Islam“, Anm. B.G.] scheint
eine islamische Gruppierung zu sein, vor der der Verfassungsschutz warnt. Also
Stimmungsmache. Und im Übrigen: Bei Kundenkontakt würde ich auch niemanden mit
Kopftuch einstellen.
>>
Der „Verein säkularer Islam
Hamburg e.V.“ kritisierte in einer Pressemitteilung,
dass in den Medien das Narrativ „Rassismus“ bedient werde und erläuterte
ausführlich, warum der Hijab nicht nur ein x-beliebiges Stück Stoff ist,
sondern das Markenzeichen des politischen Islams:
<<
Grundsätzlich sagen wir:
Das Kopftuch besitzt neben
seiner subjektiven, individuell-religiösen Bedeutung für einzelne Musliminnen
auch eine objektiv-uniformierende, betont antiwestliche, weil die Unterwerfung
unter die Gesetze der Scharia unterstreichende Symbolwirkung nach außen; diese
überindividuelle Aussage der Abgrenzung können und dürfen wir nicht ignorieren.
Genau diese wird in unserer Gesellschaft aber besonders stark wahrgenommen und
kritisiert, nicht zuletzt im Wissen darum, dass in vielen islamischen Ländern
jeder, auch jeder nicht-muslimischen Frau das Kopftuch zu tragen zwingend
vorgeschrieben ist; der freiwillige, selbstbestimmte Verzicht auf das Tuch
zieht bekanntlich in diesen Ländern drakonischste Strafen nach sich.
Deswegen stellen wir fest:
Das Kopftuch ist kein harmloses
„Stück Stoff“, sondern ein objektives Symbol für eine der Scharia verpflichtete
anti-säkulare Islamauffassung, die damit zugleich "inkompatibel mit den
fundamentalen Prinzipien in der Demokratie" ist, wie der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte lt. Wikipedia mehrfach geurteilt hat.
…
>>
Kurz zusammengefasst: Der Hijab
ist das
seidene Band des Dschihad. Ein sanfter Dschihad, in dem Frauen eine große
Rolle spielen.
Ein Anwalt als Vorkämpfer für den Islamismus
Dazu passt, dass die 16jährige
Hijab-Trägerin Medienberichten zufolge Anwalt Yalçın Tekinoğlu vertreten wurde.
Wohlgemerkt: Wegen eines Ferienjobs.
Yalçın Tekinoğlu führt die Kanzlei „Dürüst“ in Heidelberg. Der Jurist sei
ausgebildeter, ehrenamtlicher islamischer Seelsorger und kümmere sich um die
muslimischen Patienten und Angehörigen, ist auf der Webseite der „Thoraxklinik“
(Universitätsklinikum Heidelberg) zu lesen.
Als Anwalt trat er schon öfter als Vorkämpfer für das seidene Band des
Dschihad in Erscheinung. So wurde er bei einer Online-
Frauenveranstaltung der IGMG am 1. Juli 2020 mit dem Titel „Eine
muslimische Frau mit Kopftuch in Europa sein“ als Referent angekündigt. Islamiq.de zitiert ihn auch im
Zusammenhang mit dem Vorfall
in Hamburg. Laut Islamiq.de ist
der Anwalt „derzeit Prozessbevollmächtigter in einem Verfahren vor dem
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte“.
Auch kommentierte er dort das Urteil
des Verwaltungsgerichts Augsburg, das einer Rechtsreferendarin Recht gab,
die ebenfalls ihren Hijab nicht ablegen wollte. Dort schreibt er:
<<
Das Kopftuch ist zu allererst
ein Kleidungsstück, das die Aura der Frau bedecken soll. Für die
moderne, muslimische Frau ist das Kopftuch ein Schutz vor unerwünschtem
Kontakt -Stichwort: sexualisierte Gewalt und „Nein heißt Nein“- und
Ausdruck ihrer Emanzipation. Ausdruck eines bemerkenswerten
Selbstbewusstseins, gerade auch gegen den Widerstand einer intoleranten
Gesellschaft …
…
Wird die erste Frau im Amt des
Bundespräsidenten womöglich ihre Haare nicht öffentlich zur Schau stellen und
deshalb keine gute Erste Repräsentantin des Staates sein?
>>
Da ist sie wieder, die einfach
gestrickte bipolare muslimische Welt, eingeteilt in Gut und Böse, halāl
und haram (erlaubt und verboten), Heilige und Hure. Frauen, die ihr Haar
„öffentlich zur Schau stellen“ signalisieren demnach sexuelle Bereitschaft. In
vielen muslimischen Ländern werden entsprechend die Frauen verurteilt, wenn sie
vergewaltigt wurden. Weil sie angeblich den Mann verleitet haben. Mitunter werden
sie sogar zum Tode verurteilt. DAS, Miriam, muss ich wissen, um über den Hijab
und Deine Weigerung, selbigen abzulegen während der Arbeitszeit, urteilen zu
können.
Wer nicht für uns ist, ist gegen
uns, und wer gegen uns ist, hat kein Lebensrecht. Das ist die Botschaft, die
Ex-Muslime wie Ali Utlu im Hijab lesen. Sowohl Homosexualität als auch
Apostasie (Abfall vom Glauben) wird in vielen muslimischen Ländern mit der
Todesstrafe geahndet. Viele Betroffene sind deshalb nach Europa, auch nach
Deutschland geflohen, in der festen Überzeugung, dort sicher zu sein vor dieser
regressiven Ideologie. Wäre es nicht die Aufgabe der Gesellschaft, ihnen diesen
Schutz zu garantieren, statt dem Sendungsbewusstsein fundamental-muslimischer
Frauen, bzw. Organisationen nachzugeben? Denn – Überraschung – auch Musliminnen
wachsen keine Tücher auf dem Kopf, sondern Haare.
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