Wider den Wahn




Berlin, Farben, Straße, Gasse, Graffiti, Mädchen, Tanz


Text Juliane Beer



Neues Berliner Personal im unermüdlichen Kampf gegen Antisemitismus tritt an


In Berlin werden so viele antisemitische Straftaten begangen wie nirgendwo sonst in Deutschland. Eine schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Susanne Kitschun (SPD), Cornelia Seibeld (CDU),Anne Helm (LINKE), Bettina Jarasch (GRÜNE) und Stefan Förster (FDP)vom 26. September 2019 ergab, dass bei den Berliner Justizbehörden vom 01.07.2018 bis 31.07.2019 488 Beleidigungen, Schmierereien, tätige Angriffe usw. registriert wurden. Eine detaillierte Übersicht hier: https://bettina-jarasch.de/wp-content/uploads/2019/12/Antwort_Anfrage_Antisemitische_Straftaten_Interfratkionell_03-2019.pdf

Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen, bekanntermaßen haben es viele Jüdinnen und Juden aufgegeben, bzw. nie damit begonnen, Beleidigungen, Bedrohungen und Angriffe zur Anzeige zu bringen, warum auch. Die Zugehörigkeit zu einer Ethnie zum unbezahlten Vollzeitjob machen, sich mehrmals täglich zu Netanjahus Politik erklären, jede wahnhafte Äußerung oder Betätigung zur Anzeige bringen, damit Statistiken erstellt, neue Stellen geschaffen, in Wissen investiert werden kann? Haben die meisten weder Zeit noch Lust zu. Letztes, nämlich Bildung, mag die glücklich machen - Lehrende wie Lernende - die mit Ressentiments und Verschwörungswahn sowieso nichts am Hut haben und sich in ihrer Gesinnung gern bestätigt sehen, was man ihnen nicht vorwerfen möchte.

Dass Bildung jedoch der Entstehung von Antisemitismus vorbeugt ist längst widerlegt. Was nicht heißt, dass bisherige Konzepte überdacht werden. Das, was in der Vergangenheit zu keinem Erfolg führte, wird stattdessen intensiviert. Jüngst schlug Marcus Weinberg, CDU Hamburg, vor: „Jeder Schüler (Schülerinnen sind wahrscheinlich mitgemeint) soll ein KZ besuchen.

https://www.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article230195278/Marcus-Weinberg-Jeder-Schueler-soll-ein-KZ-besuchen.html

Dass damit nicht automatisch eine Läuterung zu erreichen ist zeigt dieser Fall. Schülerinnen, durch den Ausflug ins KZ Buchenwald inspiriert, hören antisemitische Lieder.

https://www.hessenschau.de/panorama/schueler-hoeren-antisemitische-lieder-nach-besuch-im-kz-buchenwald,theo-koch-schule-antisemitismus-100.html

Ein Hilfeschrei akut traumatisierter Kinderseelen? Vielleicht.

So oder so darf angezweifelt werden, dass sich Jugendliche aller Nationalitäten, die sich deshalb der Hitler-Verehrung verschrieben haben, weil dieser 6 Millionen Jüdinnen und Juden ermorden ließ, durch einen KZ-Besuch, der ihnen die Beweise für ihre Anhängerschaft liefert, umstimmen lassen.

Weil die momentan einzig denkbaren bzw. undenkbaren Alternativen hießen, entweder alle bisherigen Bildungsmittel in einen schlagkräftigen Rund-um-die-Uhr-Wachschutz für jüdische Einrichtungen in Deutschland zu investieren und/oder zu den Themen jüdisches Volk und Shoa ab sofort einfach konsequent zu schweigen und sich stattdessen endlich zumindest nur halb so akribisch mit den deutschen TäterInnen zu befassen, würde sich sehr wahrscheinlich keine kooperierende Schul- oder Kulturbehörde finden. Das inhaltsleere, zur bloßen Attitüde bzw. zu hohlen Ritualen verkommene Gedenken an tote Jüdinnen und Juden und das unermüdliche Gelehre darüber sind fester Bestandteil deutscher Kultur nach 1945.

Und so gab es auch dieses Jahr in Berlin wieder Posten zu besetzen.


Jüdisches Museum in Berlin - größtes Museum in Europa zur jüdischen Geschichte und Kultur nach dem Entwurf von Daniel Libeskind. Neue Direktorin seit April 2020 ist die Kulturhistorikerin und Theaterwissenschaftlerin Hetty Berg, bislang Chefkuratorin des Jüdischen Kulturviertels in Amsterdam.

https://www.holland.com/de/tourist/reiseziele/amsterdam/judisches-historisches-museum-in-amsterdam.htm

Es heißt, sie fühle sich dem Geist des Berliner Hauses verpflichtet. Sollte selbstverständlich sein; in der Vergangenheit zeigte sich, dass es das nicht ist. Unter der Leitung von Peter Schäfer und Yasemin Shooman (Programmleitung der Akademie des Jüdischen Museums) geriet das Haus vielmehr zur Stätte der Israelkritik, bzw. zu einer Bühne für BDS-Getreue und SympathisantInnen. Notabene: Shoomans Arbeitsschwerpunkt ist Islamfeindlichkeit, außerdem ist sie Mitglied im wissenschaftlichen Beirats des Avicenna-Studienwerks. Zu diesem Studienwerk und dessen Zielen findet man in Kürze einen umfangreichen Gastbeitrag auf https://frauenstandpunkt.blogspot.com/

Peter Schäfer, Hochschullehrer und Judaist, empfing 2019 im Jüdischen Museum den Kulturrat der islamischen Republik Iran Seyed Ali Moujani. Der Iran ist u.a. für Massenhinrichtungen von RegimegegnerInnen, verhüllungsunwilligen Frauen und Homosexuellen bekannt. Das hinderte Schäfer nicht daran, im Rahmen einer freundschaftlichen Schwadronade mit Moujani übereinzukommen, dass die Gleichsetzung von Antisemitismus mit Antizionismus ein “Problem“ sei. Warum solcherlei Brüderlichkeit in einem jüdischen Museum besiegelt wurde ist bis heute ungeklärt.


Haus der Wannseekonferenz

Deborah Hartmann, Politikwissenschaftlerin, wird ab Dezember die heutige Gedenkstätte und Bildungseinrichtung Haus der Wannsee-Konferenz leiten. Hartmann forscht und arbeitet, bisher in Östererich und Israel, zur europäischen Erinnerungskultur. Ein weitere Bereich ist die Bildungsarbeit zur Shoa. Zu Bildung und Antisemitismus: siehe oben; an dieser Stelle sei noch erwähnt, dass immer mehr Berliner LehrerInnen sich angesichts der gestiegenen Zuwanderung aus Ländern, in denen Antisemitismus offiziell zum Lehrplan gehört, wahrheitsliebend als hilflos bezeichnen, wenn es darum geht, SchülerInnen ab einem bestimmten Alter wieder umzustimmen. Erschwerend kommt hinzu, dass in Zeiten von Kulturrelativismus und Postkolonialer Theorie gewisse Formen des Judenhasses, nämlich die, die sich auf den Staat Israel beziehen, nicht mehr als Antisemitismus ausgewiesen werden dürfen, ohne dass Lehrpersonal in den Verdacht rassistischer Gesinnung oder als von der zionistischen Weltverschwörung gesteuert gerät.
Juliane Wetzel, Historikerin und Mitarbeiterin des Zentrums für Antisemitismusforschung Berlin legte soeben in Sachen Antisemitismus und Schule noch nach: „Das Schimpfwort ‚Du Jude‘ [auf Berliner Schulhöfen, Anm. J.B.] kann, muss aber keine antisemitische Konnotation haben. Es kann als Provokation eingesetzt werden und/oder es wird synonym zu ‚Du Opfer‘ verwendet.“ aus: Benz (Hrsg), Streitfall Antisemitismus

Man kann Hartmann nur wünschen, dass sie sich auf die Berliner Gemengelage bereits eingestimmt hat.

Zum Haus der Wannseekonferenz noch dies: Von 1941–1945 wurde es als Gästehaus der SS genutzt. Im Januar 1942 konferierten fünfzehn Vertreter der SS, der NSDAP und deutscher Ministerien zum bevorstehenden Massenmord an europäischen Juden. Im Haus der Wannsee-Konferenz wird die Dauerausstellung „Die Besprechung am Wannsee und der Mord an den europäischen Jüdinnen und Juden“ gezeigt, außerdem finden Fortbildungsveranstaltungen für PädagogInnen/Lehrpersonal statt. In Anbetracht der Geschichte dieses Hauses wäre die einzig redliche Verfahrensweise gewesen, es 1945 in die Luft zu sprengen. Es gibt unbelastete Veranstaltungsorte für Ausstellungen und Lehrveranstaltungen in Berlin. An diesem Haus festzuhalten enttarnt den deutschen Nie-wieder -Zirkus eindrucksvoll.


Ansprechpartner des Landes Berlin für Antisemitismus

oder, wie bereits gewitzelt wurde, Kummeronkel für Berliner Jüdinnen und Juden, ist ab sofort Samuel Salzborn, Professor für Politikwissenschaft, Schwerpunkt Rechtsextremismus und Antisemitismus. Salzborn ist im theorieverliebten, adornoverehrenden antideutschen Lager anzusiedeln. Ob Salzborn zum harten Kern der Adorno-Fraktion gehört kann ich nicht beurteilen. Jener harte Kern hat allerdings gar keine Zeit für jüdische Alltagsprobleme, sondern kabbelt sich im Internet unter Zuhilfenahme von Beleidigungen und gegenseitiger Bloßstellung um die Position des wahren Adorno-Anhängers oder Adorno-“Ultras“. Adorno wird hier als Synonym für Israel-Solidarität geführt, was komisch anmutet, denn was hat Adorno eigentlich bahnbrechendes zum Thema Zionismus gesagt – außer “schreckliche Sorge“ zu äußern, als Israel 1948 von seinen arabischen Nachbarn angegriffen wurde? Davon, eine Selbstverständlichkeit darin zu sehen, dass Jüdinnen und Juden einen eigenen Staat errichten und diesen gegen Aggressoren verteidigen, war jener Professor weit entfernt. Nein, ein eigener Staat ist nicht deshalb wichtig, weil Nationalismus eine tolle Sache ist, sondern weil Menschen (Ab)grenzung und Schutz wollen und leider auch oft brauchen, und wenn es keine Staaten gibt, die immerhin noch unabhängig kontrollierbar sind, Menschen sich andere, hermetische, schwer kontrollierbare weil exklusivere Räume schaffen.
Mit mehr Inbrunst vertrat Adorno übrigens die These „Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch“, was verdeutlicht, dass es seine Sache eher war, sich der Shoa ästhetisch zu nähern. Man möchte das natürlich weder Adorno und schon gar nicht Salzborn ankreiden. Hinsichtlich eines konsequenten Vorgehens gegen Antisemitismus sind solche formverliebten Sperenzchen allerdings wertlos.
Die Ernennung eines dem Antideutschen Lager Zugehörigen ist dennoch zu begrüßen, weil in diesen Kreisen u.a. die nicht nur unter Linken zelebrierte Kooperation mit AntisemitInnen aller Couleur und Nationalität unter dem Deckmantel des Kampfes gegen Rassismus keinen Platz hat. Außerdem kann sich ein Theoretiker aus dem „wir machen uns schreckliche Sorgen um Israel“- Lager hier in der Praxis bewähren.

Bleibt nur, dem neuen Berliner Personal wider den Antisemitismus gutes Gelingen zu wünschen.

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