Das Scharia-Kartell in Aktion – am Beispiel der Vergabe des „Deutschen Schauspielpreises“ an Tua El-Fawwal (Teil I)

  


Text: Birgit Gärtner

Teil I: Hatun Sürücü würde sich im Grabe umdrehen

Die Vergabe des „Deutschen Schauspielpreises“ an Tua El-Fawwal, „die einzige Schauspielerin in Deutschland, die privat und vor der Kamera Hijab trägt, ihre Selbst-Inszenierung, die Reaktion des erlauchten Publikums – es ist ein reiner Branchenpreis, folglich besteht das Publikum ausschließlich aus Filmschaffenden – ist ein soziologisches Lehrstück über die Funktionsweise des Scharia-Kartells.

Mein Anliegen ist es nicht, Phänomene zu beschreiben, sondern Hintergründe und Zusammenhänge aufzuzeigen. Nur so lässt sich verstehen, wie tief der islamische Fundamentalismus, dessen Aktivistinnen und Protagonisten, unsere Gesellschaft bereits durchdrungen haben – und wie bereitwillig diese ihm den Weg bereitet. Diese Veranstaltung ist sozusagen das Paradebeispiel. Der Text ist sehr lang, deshalb habe ich ihn in mehrere Teile aufgeteilt.

Die islamischen Fundis zu huldigen, gilt als fortschrittlich und ist weitestgehend gesellschaftlich akzeptiert. Vor allem jene Teile unserer Gesellschaft, die sich als besonders fortschrittlich erachten, gefallen sich darin. Das ist aber quer durch fast alle politischen Lager zu beobachten – bis auf rechtspopulistische und rechtsnationale. Denen somit die Hoheit über die Abwendung dieser Entwicklung überlassen wird. Und sie tun es – zumindest in weiten Teilen – eben auf ihre Art, die dem friedlichen Zusammenleben genauso abträglich ist wie die Ausbreitung des islamischen Fundamentalismus. Ziel ist es nicht, Menschen abzulehnen, weil sie (vermeintlich) fremd sind, eine andere Hautfarbe, eine andere Religion, eine andere Kultur haben, sondern die Ausbreitung einer zutiefst menschenverachtenden Ideologie zu verhindern. Diese Ideologie materialisiert sich allerdings durch Menschen, deshalb ist es abzulehnen, dass orthodoxe Musliminnen für Filmrollen engagiert werden, damit der zu verkörpernde Fundamentalismus authentisch wirkt. Und sie dann dafür auszuzeichnen, dass sie vor und hinter der Kamera gleichermaßen ihren Fundamentalismus zur Schau stellt.

Für alle, die jetzt Schnappatmung bekommen: Wo im real existierenden Islam, in welchem islamischen Land, würdet Ihr denn gern leben? Das ist nicht weit hergeholt, sondern die bestehenden islamischen Länder sind die Bezugspunkte derer, die hier im Namen des Islams agieren. Jedenfalls die Vertreterinnen und Vertreter der fundamentalistischen Auslegung – und diese ist mittlerweile Mainstream.

Die Ideologie der Muslimbruderschaft (MB) bedeutet in der Praxis ähnliche gesellschaftliche Verhältnisse wie in Saudi-Arabien oder dem Iran, auf den sich auch die schiitischen Organisationen in Deutschland beziehen. Bezugspunkt für die „Islamische Gemeinschaft Millî Görüş“ (IGMG) und DITIB ist die Türkei, in der Präsident Recep Tayyip Erdoǧan sich anschickt, das gute, alte osmanische Kalifat zu re-installieren und seine hegemonialen Ansprüche mit Waffengewalt in der Region durchsetzt.

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Im Wesentlichen ist die Bruderschaft aus Verbindungen und Kooperationen um ein Netzwerk personeller Beziehungen her aufgebaut“, schrieb Lorenzo Vidino in seinem Buch „The Muslim Brotherhood in the West: Evolution an Western Policies“ von 2011 (S. 9). „Es entspricht kaum einem gut definierten Gesamtplan oder eine fein abgestimmte Verschwörung, aber es entsteht aus der Interaktion einer kleinen Gruppe von smarten, gebildeten und motivierten Personen.

Es ist im Wesentlichen ein ziemlich kleines, informelles Netzwerk von Aktivisten (und Aktivistinnen, Anm. B. G.), die durch Heirat, Geschäftsbeziehungen, alte Freundschaft und, was am Wichtigsten ist, eine gemeinsame Vision, miteinander verbunden sind

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 (Übersetzung: Carsten Frerk).

Mittlerweile reicht dieses Netzwerk weit über die muslimische Community hinaus bis in die Spitzen der Politik, Medien, Kultur, Wissenschaft und Justiz. Zum einen wurden „eigene Leute“ geschickt platziert und Kontakte zu wichtigen Leuten der mehrheitsgesellschaft in den entsprechenden Bereichen geknüpft – gleichzeitig und in umgekehrter Reihenfolge. Politisch und finanziell gefördert entstand in Deutschland so ein äußerst umtriebiges Netzwerk, das ich das Scharia-Kartell nenne. Diese „Vision“, von der Vidino spricht, ist die Idee einer rechtgeleiteten Gesellschaft mit Allah als einzigem Souverän, dessen Willen sich ausnahmslos alle zu unterwerfen haben. Dieser Wille soll angeblich vor etwa 1.400 Jahren dem Propheten Mohammed eingegeben worden sein.

Allgemein wird dies „politischer Islam genannt“, ein Begriff, den ich ablehne, da es meiner Ansicht nach keine unpolitischen Religionen gibt, nur Gläubige, die ihren Glauben als Privatsache praktizieren und daraus keine Ansprüche an die Gesellschaft ableiten.  

Zu dem Begriff „politischer Islam“ schreibt Mouhanad Korchide, Leiter des Zentrums für islamische Theologie an der Westfälischen Wilhelm-Universität in Münster und als solcher der „Islamophobie“ wohl unverdächtig, am 21. Juli 2020 im österreichischen Standard:

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Im Grunde beschreibt der Begriff eine menschenfeindliche Ideologie, die die Herrschaft im Namen des Islams anstrebt. Die Religion dient als Mittel, um Gläubige zu manipulieren. Der politische Islam richtet sich gegen uns alle und ist viel gefährlicher als der Jihadismus und Salafismus, weil er subtiler, nämlich in Krawatte und Anzug auftritt.

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Und gut schminkt, in farbenfrohes Gewändern und mit bunten Tüchern, Contemporary Muslim Fashion, Tua El-Fawwal könnte dessen Ikone sein. Was  Korchide im Standard schreibt, sagt mittlerweile auch der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz – und ich habe es lange vor ihnen gesagt, bzw. geschrieben.

In jedem Land, in dem der Islam sich 1979 ausbreitete, wurden zu allererst die Frauen unter Schleier gezwungen. Die Muslimbruderschaft träumt von verschleierten Frauen allerorten. In den 1950er Jahren wurde in Ägypten über dieses Ansinnen der MB noch gelacht. Noch in den 1980er Jahren waren ägyptische Frauen was ihre Kleidung betrifft von westlichen nicht zu unterscheiden. Deren Töchter waren Anfang der 2000er Jahre die erste Generation von fast ausnahmslos Hijab tragenden Mädchen. Schließlich stieg auch die Zahl der Niqab-Trägerinnen, also derer, die ihr Gesicht bis auf die Augenpartie verhüllen. Aktuell tragen etwa 90% der ägyptischen Frauen und Mädchen Hijab oder Niqab,

2009 forderte Muhammad Sayyid Tantawi, Großscheich – und  damit oberste religiöse Autorität des sunnitischen Islams – der al-Azhar-Universität in Kairo, dessen bedeutendsten Hochschule, eine Schülerin auf, den Gesichtsschleier abzulegen. Das sei keine religiöse Vorschrift.

Die Muslimbruderschaft war empört:

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"Wenn Tantawi an einen Ort gehen will, an dem er keine Frauen mit Gesichtsschleier antrifft, sollte er ein Bauchtanz-Institut besuchen", antwortete Hamdy Hassan, Vizefraktionschef der Muslimbrüder im ägyptischen Parlament,

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schrieb seinerzeit die  taz.

2015 wurde an der al-Azhar-Universität ein generelles Niqab-Verbot für weibliche Lehrkräfte erlassen. Dieses Verbot wurde schlussendlich vom Obersten Verwaltungsgericht kassiert, allerdings existieren zahlreiche Niqab-Verbote an Schulen, Hochschulen sowie gastronomischen Betrieben.

Nach der Präsidentschaftswahl 2012, die der Muslimbruder Mohammed Mursi gewann und vom 30. Juni 2012 bis zu seinem Sturz am 3. Juli 2013 das Amt bekleidete, machte sich die neugewählte Regierung laut Zeit als erstes an einen Gesetzesentwurf, um  das 2008 erlassene Verbot der weiblichen Genitalverstümmelung – Female Genital Mutilation (FGM) – rückgängig zu machen, außerdem sollte „das Heiratsalter für Mädchen auf 12 Jahre abgesenkt und das unter Hosni Mubarak eingeführte Scheidungsrecht für Frauen sowie alle Reformen beim Sorgerecht für Kinder wieder rückgängig“ gemacht werden.

Geschätzt 89% aller Ägypterinnen zwischen 15 und 49 Jahren wurde die Folter der FGM angetan. Diese Praxis existiert in Ägypten zwar seit 2.500 Jahren, also lange vor dem Islam, aber weltweit verbreitet sich diese Form der sexualisierten Folter mit dem Islam und auch das Beispiel der MB zeigt, dass FGM und fundamentaler Islam miteinander verknüpft sind.

Säkulare Frauenrechtlerinnen in der gesamten muslimischen Welt kämpfen verzweifelt gegen Schleierzwang, Ehrenmorde, Kinder-Ehen, FGM und für gleiche Rechte – während in Deutschland eine junge Islamistin mit ägyptischen Wurzeln für die Zurschaustellung eben ihrer fundamentalistischen Weltanschauung ausgezeichnet wird.

 

Ein Branchenpreis

Seit 2012 wird jährlich vom „Bundesverband Schauspiel“ der „Deutsche Schauspielpreis“ vergeben, ein Branchenpreis von Mitgliedern des Verbandes an Kolleginnen und Kollegen. Bis 2017 hieß er „Deutscher Schauspielerpreis“, die Organisation bis 2014 „Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler“ (BFFS). Die Abkürzung ist geblieben. Bis 2016 wurden die Preisträgerinnen und Preisträger von einer Jury gewählt; seither trifft die Jury nur die Vorauswahl, 3 Nominierte pro Kategorie.  Die Mitglieder des Verbandes wählen dann je eine Person pro Kategorie, die mit den meisten Stimmen gewinnt. Die Kategorien sind Hauptrolle, Nebenrolle, komödiantische Rolle, je weiblich und männlich, starker Auftritt, Ensemble, Theaterpreis, Synchronstimme, Ehrenpreis „Lebenswerk“, Ehrenpreis „Inspiration“, Deutscher Fairnesspreis und der Nachwuchspreis.

Der ging in diesem Jahr an Tua El-Fawwal, einer verschleierten Muslimin, die sowohl die Rolle, für die sie ausgezeichnet wurde, als auch den Preis nicht trotz, sondern wegen ihres Hijabs bekam. Ebenso den tosenden Applaus.

Die Preisverleihung am 11. September 2020 blieb von der Öffentlichkeit wietestgehend unbemerkt, da diese aufgrund der Corona-Pandemie mehr oder weniger im Stillen durchgeführt und auch von keinem Fernsehsender übertragen wurde – wenn nicht kürzlich das Magazin Jetzt, Partner der Süddeutschen Zeitung (SZ), die Schauspielerin ins Rampenlicht gerückt hätte. Autorin Franziska Setare Koohestani ist voll des Lobes für die Preisträgerin. Die Autorin beschäftigt sich offenbar mit politisch-korrektem Sprachgebrauch und bezieht sich dabei auf die „Neuen Deutschen Medienmacher*innen“, die sich das Ansehen des Islams in den deutschen Medien aufzupolieren auf die Fahne geschrieben und eine eigene Definition von Rassismus entwickelt haben, nach der grob gesprochen Rassismus nicht mehr an Ethnie gekoppelt ist, sondern auch Angehörige einer Religion, beispielsweise des Islams, mit einschließt. 

 

Ein Schlag ins Gesicht aller Frauen, die in der islamischen Welt gegen ihre Unterdrückung kämpfen

Die Laudatio hielt Almila Baǧriaçık, mittlerweile bekannt als Kieler Tatort-Kommissarin Mila Şahin, aber auch aus dem Film „Nur eine Frau“. Darin spielt sie die Protagonistin Hatun Sürücü, die wegen ihres westlichen Lebensstils – u.a., weil sie den Hijab ablegte – von ihrer Familie zum Tode verurteilt und von ihrem jüngsten Bruder Ayhan ermordet wurde. Im Film hieß Ayhan Nuri und wurde verkörpert von Rauand Taleb, der in diesem Jahr als bester Nebendarsteller für seine Rolle als Zeki in „4 Blocks“ ausgezeichnet wurde. Almila Baǧriaçık erhielt 2017 den Nachwuchspreis für ihre Rolle als Semiya Şimşek, der Tochter des NSU-Opfers Enver Şimşek, in dem Film „Die Opfer – Vergesst mich nicht“.

Völlig skurril wird es, wenn gleichzeitig eine Hijabträgerin wegen ihres Hijabs ausgezeichnet wird, für die eine Schauspielerin die Laudatio hält, die Berühmtheit erlangte, weil sie eine Frau spielte, die sich dessen und den damit verbundenen islamischen Zwängen entledigte und dafür mit ihrem Leben bezahlten musste, dann noch mit „Born in Evin“ eine Produktion den „Fairnesspreis“ erhält, deren Protagonistin Maryam Zaree in dem Frauentrakt des berühmt-berüchtigten Teheraner Gefängnisses „Evin“, dem vermutlich brutalsten Frauengefängnis der Welt, geboren wurde. Ihre Eltern waren nach der „islamischen Revolution“ 1979 verhaftet worden.

Aktuell sitzen dort viele Frauen ein, die sich der Verschleierungspflicht wiedersetzt haben sowie Nasrin Sotudeh, eine Anwältin und Frauenrechtlerin, die einige dieser Frauen verteidigte. 2019 wurde sie deshalb zu 33 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt. Seit 2018 sitzt sie im „Evin“-Gefängnis ein. Zum zweiten Mal, denn sie wurde bereits 2010 verhaftet und verurteilt. Damals hatte sie u.a. einen 20jährigen verteidigt, der wegen Mohareb (dt. Krieg gegen Gott) verhaftet, zum Tode verurteilt und im Januar 2010 erhängt wurde. Am 11. August 2020 trat Nasrin Sotudeh in den Hungerstreik, den sie am 25. September 2020 aufgrund gesundheitlicher Probleme abbrach.

Nasrin Sotudeh ist eine der prominentesten Insassinnen des „Evin“-Gefängnisses. Sie arbeitet u.a. für die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Shirin Ebadi. Seit Jahrzehnten werden Frauen eingesperrt, die sich dem Diktat der Mullahs widersetzten. Viele von ihnen leben inzwischen unter uns. Sie erzählen von Folter, und von Haftbedingungen jenseits unserer Vorstellungskraft. Die Zellen sind teilweise so überfüllt, dass die Frauen im Stehen schlafen müssen. Die Haftbedingungen für Männer sind nicht besser.

Wie fair mögen es wohl Frauen wie Nasrin Sotudeh und ihre namentlich nicht bekannten Mitgefangenen finden, wenn in Deutschland Kunst- und Kulturschaffende statt sich mit unterdrückten Frauen in der islamischen Welt zu solidarisieren, ihre Kolleginnen für das Zurschaustellen des Markenzeichens des islamischen Fundamentalismus auszeichnen? Vermutlich betrachten sie es als Schlag ins Gesicht. Hatun Sürücü würde sich wohl im Grabe umdrehen.

Teil II: "Der größte Dank gebührt Gott"

Teil III: Der Islam auf demMarsch durch die Institutionen – und die Medien- und Kulturlandschaft

 




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