Christoph Metzelder und sein problematisches Verhältnis zu Kindern und juristischer Aufklärung

 

 Text: Birgit Gärtner

Auch dieser Fall zeigt, dass Kinder-Pornographie ein dringendes gesellschaftliches Problem ist – ebenso wie der (juristische) Umgang damit.

Vor knapp anderthalb Jahren wurde Anzeige wegen des Besitzes kinderpornographischen Materials gegen den ehemaligen Fußball-Nationalspieler Christoph Metzelder erstattet. Während es ihm gelang, ein Strafverfahren durch Anwaltswechsel in die Länge zu ziehen und er Anwälte bemühte, um die Berichterstattung unter Nennung seines Names zu unterbinden, wurde gegen die Frau, die den Stein ehedem ins Rollen brachte, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Die Geschichte klingt einigermaßen absurd: Laut Zeit soll der Profi-Kicker einer Internet-Bekanntschaft kinderpornographisches Material auf deren Handy geschickt, diese Interesse geheuchelt, sich jedoch mit einer Freundin besprochen haben. Jene Freundin soll ihr geraten haben, die Polizei einuzschalten. Daraufhin schickte die Frau, in der Zeit wurde ihr Name in Rafaela Jahn umgeändert, die Nachrichten, die sie laut ihrer Aussage von Christoph Metzelder erhielt, an einen Polizeibeamten in Osnanabrück. Zudem zog Rafaela Jahn eine weitere Freundin ins Vertrauen, die es ihrerseits einem ihr bekannten Polizeireporpter erzählte. Dass er  Bild-Reporter war, erfurhr Rafaela Jahn erst später. Der Reporter wandte sich an das Landeskriminalamt. Die unverzüglich Rafalea Jahn einbestellte und vernahm. Daraufhin wurde ein Ermittlungsverfahren gegen Christopf Metzelder eingeleitet - und eines gegen Rafaela Jahn. Die Staatsanwaltschaft warf ihr der Zeit zufolge vor, sich kinderpronografisches Material beschafft zu haben. Begründet wurde das damit, dass sie zu lange gezögert, bevor sie sich an die Polizei wandte und zudem nicht selbst Strafanzeige erstattet habe. Zunächst wurde ihr angeboten, gegen eine Bußgeld von 300,- € das Verfahren einzustellen. Das lehnte Rafaele Jahn ab, da sie sich keiner Schuld bewusst war. Daraufhin stellte die Staatasanwaltschaft Strafbefehl. Das Gericht schlug den ursprünglichen Deal, Einstellung gegen Zahlung von 300,- € Strafe, vor, doch die Staatsanwaltschaft verlangte nun 500,- €. Da Rafaela Jahn nicht einwilligte, wird es wohl zum Verfahren gegen sie kommen.

Nicht ganz so schnell arbeitete die Staatsanwaltschaft in Bezug auf Christoph Metzelder. Obwohl bereits im September 2019 eine Durchsuchung bei ihm erfolgte und offenbar belastendes Material sichergestellt wurde, beginnt der Prozess Medienberichten zufolge am 29. April 2021. Ihm werden laut Focus in

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29 Fällen um den Verdacht, es unternommen zu haben, einer anderen Person den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, und in einem weiteren Fall um den Verdacht des Besitzes von kinder- und jugendpornografischem Material.

Laut Anklage sollen auf dem Handy Metzelders 297 Kinder- und Jugendpornodateien gefunden worden sein. Ferner soll er drei Frauen Missbrauchsmaterial von Kindern via WhatsApp geschickt haben.

Juristisches Machtspiel

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Das scheint er zu bestreiten. Dem Focus zufolge ist es schwierig, Informationen von der Staatsanwaltschaft zu erhalten, da der Ex-Profi-Kicker dies juristisch zu unterbinden versuchte:

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Die Ermittlungen gegen den einstigen Nationalspieler sind längst zu einem Paradebeispiel presse- und verwaltungsrechtlicher Kabalen geworden. Fast ein Jahr lang verhinderten die Medienanwälte des Beschuldigten mit Hilfe der Pressekammern eine identifizierende Berichterstattung. Erst nach Anklageerhebung beurteilten höhere Instanzen dies anders. Das Berliner Landgericht erhielt gar eine juristische Klatsche durch das Bundesverfassungsgericht, weil man dem Springer-Verlag kein rechtliches Gehör zugebilligt hatte.

Manche Schritte erinnerten an eine Art rechtlichen Feldzug. Metzelders Juristen zogen gar vors Verwaltungsgericht, um dem Rechtsausschuss des NRW-Landtages, der sich mit der Angelegenheit befassen wollte, quasi einen Maulkorb verpassen zu lassen.

Als das Amtsgericht Düsseldorf Anfang September 2020 ein Pressebulletin über die Anklageerhebung im Detail nebst Namensnennung veröffentlichte, gingen die Anwälte wieder dagegen vor. Dieses Mal aber scheiterten sie zunächst vor dem Verwaltungsgericht der Landeshauptstadt. Demnach durfte die Pressemitteilung auch weiterhin auf der Justiz-Homepage verbleiben.

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Ausgezeichnetes Engagement

Christoph Metzelder spielte bei Borussia Dortmund, Real Madrid und in der deutschen Nationalmannschaft, wurde Deutscher und Vizeweltmeister. 2013 beendete er seine aktive Profi-Fußball-Karriere, kickte noch bei seinem Heimatverein TuS Haltern, arbeitete als Sport-Kommentator bei Sky Deutschland und auch der ARD. Bis 2018 war er Geschäftsführer der Sportmarketingagentur Jung von Matt/sports der berühmten Medienagentur Jung von Matt. Im Oktober 2018 gründete er gemeinsam mit Raphael Brinkert eine eigene Agentur, BrinkertMetzelder, in der er eigenen Angaben zufolge „ökologische, ökonomische und soziale Ziele in Einklang“ bringen wollte.

Christoph Metzelder engagierte sich für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche, gründete die Metzelder-Stiftung „Zukunft Jugend“, war laut Wikipedia als Werbebotschafter „Schutzengel“ im Verein gegen Kinderprostitution roterkeil.net. Zu den „Schutzengeln“ zählen u. a. die Sängerin Helene Fischer, Schauspielerin Caroline Frier, die ehemalige Politikerin Rita Süssmuth sowie der Comedian Atze Schröder. Gemeinsam mit dem Olympiasieger Matthias Steiner, Rockstar Peter Maffay und Schauspieler Peter Lohmeyer war er Mitglied des Kuratoriums der „Stiftung Fußball-Bundesliga“. Am 7. November 2011 erhielt er für sein soziales Engagement den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen, 2017 das Bundesverdienstkreuz am Bande.

So viel soziales Engagement schafft Vertrauen

Rafaela Jahn war schon 2006, während des „Sommermärchens“ begeistert von dem Fußballer. 2018 wurde sie seine Followerin bei Instagram. Kurze Zeit später, am 8. November 2018, schickte er ihr ein Emoji, erzählte sie der Zeit. Sie fühlte sich geschmeichelt, antwortete mit einem Foto von sich im Fußball-Trikot. Die beiden kamen ins Gespräch, so Rafaela Jahn. Er erzählte von seinem sozialen Engagement, sie war beeindruckt und begeistert. Anfang Dezember 2018 kam es zum ersten Date, Ende Mai 2019 folgte ein zweites.

Anfang August brachte er ihren Worten zufolge im gemeinsamen Chat das Thema „sexuelle Tabus“ zur Sprache.

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Er fände einen Dreier schon geil, ob Mann oder Frau, sei ihm egal, aber: gerne jung,

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zitiert die Zeit Rafaela Jahn. Was er darunter versteht, interessierte sie. Also fragte sie nach und er ließ durchblicken, dass er die Fantasie hatte, sie gemeinsam mit einem Teenager zu verführen. Rafaela Jahn war schockiert, entscheid sich, so sagte sie in der Zeit, herauszufinden, was er wirklich meinte. Und stieg auf sein Gedankenspiel ein. Großzügig überlies sie ihm die Wahl der gemeinsamen „Gespielin“ und am 10. August 2019 schickte er ihr das erste Foto: Ein etwa 10jähriges Mädchen nackt im Schnee. Das nächste Foto zeigte ein 4 oder 5jähriges Mädchen, ebenfalls nackt. Dieses Mal am Strand. Ein weiteres Bild zeigte ein etwa 10jähriges Mädchen „mit gespreizten Beinen rittlings auf einem Mann sitzend“. Rafaela Jahn erfand zwei Nichten, 4 und 9 Jahre alt. Er forderte sie auf, die beiden in den Ferien zu sich einzuladen.

Da reichte es Rafaela Jahn, sie wusste, was sie hatte herausfinden wollen und wandte sich wie eingangs beschrieben zunächst an die besagte Freundin, dann an den Polizeibeamten in Osnabrück.

Kinder-Pornographie wird häufig nicht ernstgenommen

Ob Christoph Metzelder verurteilt werden wird, hängt letztlich davon ab, wie die Fotos eingestuft werden, die bei ihm gefunden wurden. Reine Abbildungen auch unbekleideter Kinder, sogenannte Posings, gelten nicht als strafrelevant. Solche Fotos hatte u.a. der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy auf seinem Rechner. Anhand dessen habe ich mich seinerzeit mit dem Thema beschäftigt und habe herausgefunden, dass die Vrbreitung von Kinderfotos zu pornographischen Zwecken den Kindern selbst dann massiv schaden kann, wenn diese freiwillig „posierten“ gar nicht mitbekommen haben, dass die Aufnahmen kommerziellen Zwecken dienten.

So wurde beispielsweise kinderpornographisches Material auf einem Rechner in der zerstörten Wohnung in Zwickau gefunden, in der Beate Zschäpe mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos lebte. Das ist juristisch nie verfolgt worden, da die Vorwürfe gegen Beate Zschäpe, mitverantwortlich für die Morde an 10 Menschen zu sein schwerer wog, als der Besitz kinderpornographischen Materials.

Das kinderpornographische Material, das auf dem Rechner in der Wohnung in Zwickau gefunden wurde, gilt allerdings größtenteils sowieso als nicht strafrelevant. Also als "harmlos". Am Beispiel Sebastian Edathy, bzw. der Fotos auf dessen Rechner, lässt sich belegen, dass auch scheinbar "harmlose" Aufnahmen Persönlichkeiten brechen, Familien und Existenzen zerstören können - selbst dann, wenn die betroffenen Jungen gar nicht gemerkt haben, dass sie fotografiert wurden.

Sexuelle Ausbeutung und Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist ein gravierendes gesellschaftliches Problem. Ein Teilbereich, der sich rasant ausbreitet aufgrund der technischen Möglichkeiten, die das digitale Zeitalter bietet, ist die Kinderpornographie. Hier sind Jungen sehr häufig Opfer.

Konsumenten kinderpornographischen Materials sind vorwiegend männlich, und in allen sozialen Schichten zu finden. So wundert es nicht, dass Kinderpornographie sowohl eine Rolle bei dem NSU-Trio und deren Umfeld spielt, die sowohl als Kundinnen und Kunden in Erscheinung treten, als auch Geld mit Vermarktung kinderpornographischen Materials und Kinderprostitution verdienen.

In Kundenlisten, die dem BKA vorlagen, tauchten aber auch Namen auf hochrangiger Beamter des Bundeskriminalamtes und z.B. der des früheren niedersächsischen SPD-Politikers Sebastian Edathy auf.

2009 richtete das BKA eine Sonderkommission zum Thema Kinderpornographie ein. Wie sich später herausstellen sollte, war ein hochrangiger Beamter dieser Kommission selbst Kunde eines internationalen Händlerrings. Das bei ihm gefundene Material wurde eindeutig als illegal eingestuft.

In der "Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität" in Gießen werden die durch bundesweite Ermittlungen zu Kinderpornographie gewonnen Erkenntnisse gebündelt. Den dort tätigen Beamten fällt auf, dass die Opfer immer jünger werden, dass selbst Videos mit Babys auftauchen.

Seit Jahren versucht die zentrale Ermittlungsstelle die Kinder zu identifizieren, indem das Material an Schulen, im Falle von Kleinkindern oder Babys auch an Kindergärten oder Hebammen, bundesweit verschickt werden. In der Hoffnung, dass im Kollegium jemand eines der Kinder identifizieren kann.

Eine Sisyphus-Aufgabe, die sowohl durch die mangelhafte personelle und technische Ausstattung erschwert wird, als auch durch die Fülle an Material, das zu überprüfen ist:

Während die Polizei bei Hausdurchsuchungen vor ein paar Jahren noch ein oder zwei Computer mitnahm, würde sie heute ganze Serverlandschaften beschlagnahmen. So wie die Speicherkapazitäten wachsen, wächst auch die Zahl der Bilder und Videos." Jedes einzelne Video und jedes einzelne Foto wird von den Beamtinnen und Beamten überprüft.

NDR

Der Fall Edathy

Um eines unmissverständlich vorauszuschicken: Das politische Wirken des ehemaligen niedersächsischen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy soll auf keinen Fall mit dem der NSU-Terrorbande und dem mit ihm verbundenen Netzwerk auf eine Stufe gestellt werden.

Sebastian Edathy galt als integrer Politiker. Von Januar 2012 bis zum 10. Februar 2014 war Edathy Vorsitzender des 2. Untersuchungsausschusses des 17. Deutschen Bundestages "Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund" und Mitglied der entsprechenden Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion.

Edathy galt als engagiert, kompetent und nachdrücklich bestrebt, die vielen Ungereimtheiten im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum NSU sowie des Thüringer Heimatschutzes aufzuklären. Das bescheinigten ihm ausnahmslos alle in dem Ausschuss vertretenen Politikerinnen und Politiker. Für seine Arbeit wurde er mit dem Genç-Preis für friedliches Miteinander ausgezeichnet.

Er selbst macht sich aber durch sein fragwürdiges "Kunst"verständnis in Form einer Sammel-Leidenschaft von im Internet erwerblicher Fotos unbekleideter (männlicher) Kinder, sogenannter Posings, selbst mit den von ihm politisch bekämpften pädokriminellen Rechts-Terroristen gemein.

Das bei Edathy gefundene Material gilt in Deutschland als nicht strafrelevant, was allerdings nicht für Edathy spricht, sondern gegen die lasche Gesetzgebung. So fordert z.B. der Kinderschutzbund, die Vermarktung und den Konsum von Fotos unbekleideter Kinder grundsätzlich unter Strafe zu stellen.

Händlerringe im digitalen Zeitalter

Im Jahr 2005 wurde die kanadische Polizei auf "Azov Films", einem vom Kanadier Brian Way betriebenen Internet-Versandhandel aufmerksam. Dieser verkaufte über das Internet Coming-of-Age- und "naturistische" Filme, in denen meist nackte minderjährige Jungen zu sehen waren.

"Rare boy-based coming of age films, documentaries, photos, and family naturist films from around the world! You will find controversial writings and feature films, in addition to naturist films suitable for viewing by the entire family!"

(Seltene Jugendfilme (männlicher Jugendlicher), Dokumentationen, plus FKK-Aufnahmen aus aller Welt! Sie werden umstrittene Schriften und Spielfilme finden neben Nacktaufnahmen, geeignet für die gesamte Familie.)

xmarks.com

Unter "coming of age films" werden Filme verstanden, deren jugendliche Heldinnen und Helden von grundlegend menschlichen Fragen bewegt werden. Auch Sexualität Heranwachsender kann darin eine Rolle spielen. Im Fall von "Azov Films" ist Sexualität die Grundlage der Aufnahmen.

Mit anderen Worten: Es handelt sich um pornographisches Material. Ob diese sexuellen Handlungen freiwillig oder unter Zwang ausgeführt werden, ob das Einverständnis der Handelnden mit der (weltweiten) Vermarktung der Aufnahmen vorliegt, lässt sich den Filmen häufig nicht entnehmen.

Bei jugendlichen Darstellerinnen und Darstellern würde dazu zudem das Einverständnis der Erziehungsberechtigten benötigt. Die Möglichkeit, dass die Protagonistinnen und Protagonisten zu den Aufnahmen gezwungen wurden, und sie nicht um ihr Einverständnis für deren Verbreitung gefragt wurden, muss bei solchem Material also grundsätzlich in Betracht gezogen werden.

Auch auf dem PC von Beate Zschäpe wurden solche sexualisierten "Coming of Age"-Filme, sprich Jugend-Pornos, gefunden. Allerdings machte sich niemand die Mühe, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Sich dafür zu interessieren, wer dieses Material vermarktet hat, wo die Aufnahmen entstanden sind, und vor allem: Wer sind die darauf agierenden Personen?

Handelten sie gezwungenermaßen? Wurden sie zur Erstellung weiteren Materials gezwungen? Wo und unter welchen Bedingungen leben sie? Was ist aus ihnen geworden? Diese Fragen stellte übrigens auch im Zusammenhand mit Tino Brandts schwungvollem Kinderhandel niemand.

Mit dem Argument, Zschäpe habe für den Vorwurf "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung", der immerhin zehn Morde und ein Bombenanschlag zur Last gelegt werde, die Höchststrafe zu erwarten, wurden die Pornos ad acta gelegt.

Auch in Kanada sah die Polizei zunächst von Strafverfolgung ab, weil das Material auch nach kanadischer Gesetzgebung nicht als illegal eingestuft wurde. Doch 2010 geriet Way, bzw. "Azov Films" ins Visier rumänischer Ermittler. Und zwar hatte Way den Vertrieb von Aufnahmen gemanagt, die ein Deutscher in Rumänien von männlichen Kindern und Jugendlichen, manche von ihnen nicht älter als 8 Jahre, gemacht hatte, und die von einem rumänischen Gericht als "obszön" und an der "Grenze zu pornographisch" eingestuft wurde.

Die deutsche Charmeoffensive

Im Jahr 2001 verdingte sich der damals 23jährige Karatelehrer Markus Rudolph R. in Rumänien als Verwaltungsangestellter bei einer deutschen Möbelfirma. Der Job reichte ihm offenbar nicht, in doppelter Hinsicht: finanziell - und er kam seiner Neigung nicht entgegen. Was damals in Rumänien niemand ahnte: R. hatte sich aus Deutschland abgesetzt, nachdem er eine Haftstrafe wegen "sexuellen Missbrauchs" einer seiner Karateschüler abgesessen hatte.

Also kam er auf die Idee, seine Karatekenntnisse zu nutzen, und sich so wieder Zugang zu männlichen Kindern und Jugendlichen zu verschaffen. Ohne dass irgendjemand daran Anstoß nehmen könnte. R. bestach die Kinder und Jugendlichen mit großzügigen Aufmerksamkeiten, z.B. Eis, und hatte bald 200 Schüler. Hilfreich war dabei ein kleiner Junge, der Vertrauen zu ihm gefasst und den Markus Rudolph R. ohne wissen von dessen Mutter als seinen Sohn ausgab. Das öffnete ihm viele Türen und schaffte Vertrauen bei den Familien, um deren Söhne er als Karateschüler warb.

Als Dank für die Großzügigkeit ihres Karatelehrers ließen diese sich bereitwillig filmen. U.a. auch ganz offen auf Familienfeiern. Dabei fiel Erwachsenen später auf, dass alles Film- und Fotomaterial, auf dem R. selbst zu sehen war, verschwand. Außerdem lehnte er es grundsätzlich ab, mit den Kindern oder deren Angehörigen auf Zusammenkünften fotografiert zu werden.

Dem "Toronto Star" gegenüber gab er an, er habe 2007 begonnen, Videos seiner Karateschüler auf ein Internetportal namens "funfightkids.com" zu stellen. Daraufhin sei er von "Azov Films" kontaktiert worden. Zuerst habe er die Jungs in Unterwäsche gefilmt, aber schließlich bekam er ein verlockendes Angebot für Nacktaufnahmen.

Diese Verlockung gab er an die Jungen so weiter: 6 US-$ für Aufnahmen in Unterwäsche, das Doppelte ohne. Die Jungen wussten allerdings nicht, dass R. die Aufnahmen an "Azov Films" verscherbelte.

Ein Schäfer kam im Herbst 2009 zufällig dahinter, dass R. an abgeschiedenen Orten Filmaufnahmen mit den Jungen machte. Später fanden die Familien heraus, dass die Aufnahmen ihrer Söhne an Konsumenten in mehr als 90 Ländern verkauft wurden. Die Ermittlungen ergaben, dass sie von "Azov Films" vertrieben wurden. Markus Rudolph R. wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt, und im August 2012 entlassen. Für ihn hat sich der Fall damit erledigt. Er lebt unter dem Namen "Florian B." an einem unbekannten Ort.

Für die meisten der betroffenen Jungen hatte das nachhaltige Konsequenzen. Nachdem klar war, dass "Azov Films"die Aufnahmen weltweit vertrieb, wurden sie z. T. stigmatisiert, und wurden aus ihren Cliquen ausgeschlossen. Sie trauten sich nicht mehr in die Schule, kapselten sich von Gleichaltrigen ab. Mehrere Eltern erzählten, ihre Söhne hätten eine komplette Wandlung vollzogen.

Die Mutter des Jungen, den Markus Rudolph R. anderen Eltern als seinen Sohn vorstellte, verließ mit ihrem Sohn den Wohnort. Der Junge wurde als "schwul" bezeichnet, in einer Gegend, in der Homophobie weit verbreitet ist. Außerdem wurden sie von anderen Eltern dafür verantwortlich gemacht, dass deren Söhne ebenfalls Opfer von Markus Rudolph R. wurden. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als die Koffer zu packen, und umzuziehen. Von Irgendwo nach Nirgendwo ... .

Das so entstandenen Film- und Fotomaterial gilt größtenteils als "harmlos", laut der derzeitigen bundesdeutschen Gesetzgebung würde deren Erwerb und Besitz als nicht illegal eingestuft. Doch die Geschichte hinter diesen als harmlos geltenden Fotos zeigt, dass sie für die Betroffenen alles andere als harmlos sind.

Der Fall Edathy weist zudem darauf hin, wo die Kunden der Pornoringe und die Freier von prostituierten Kindern und Jugendlichen auch zu finden sind: In den obersten Etagen von Politik, Justiz, Polizei und Wirtschaft sowie auf den Rechnern von Prominenten.


 

 

 

 

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