#teamleni! Was denn sonst?
Text: Birgit Gärtner
Solidarität mit der SPD-Bundestagsabgeordneten Leni Breymaier, die massiv von der Prostitutionslobby angefeindet wird
Es begann mit einem Interview mit der Funke-Medien-Gruppe Ende 2020, mit dem die SPD-Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier die Prostitutionslobby gegen sich aufbrachte. Das zwischen den Jahren folgende Streitgespräch in
der taz machte es in deren Augen nicht besser. 50 in der "Interessensgemeinschaft Zukunft Rotlicht" organisierte Bordellbetreiberinnen und -betreiber erstatteten Anzeige wegen "übler Nachrede" gegen die Politikerin. Seither ist diese Zielscheibe von Wut und Hass, u.a. seitens Simone Balthus, die als Escort arbeitet und bei der Berliner Zeitung als Autorin schreibt.
Leni Breymaier und die Düsseldorfer CDU-Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel diskutierten in der taz das Thema Prostitution. Das Gespräch wurde am 27.12.2020 gedruckt. Während Erstere den Sexkauf verbieten und das „Nordische Modell“ einführen möchte, sprach Letzere Bordellen eine „Schutzfunktion“ zu. Sylvia Pantel lobte die von Bordellbetreiberinnen und –betreibern erarbeiteten Hygienekonzepte, während Leni Breymaier das Milieu als „hoch kriminell“ bezeichnete.
Der Funke-Mediengruppe gegenüber erläuterte sie:
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Deutschland hat sich vor fast 20 Jahren dazu entschieden, die Prostitution zu liberalisieren. Damit ist ein Bordell formal ein Betrieb wie eine Schreinerei oder ein Schuhgeschäft. So werden sie auch bei den Wirtschaftshilfen betrachtet. Allerdings wird ausgeblendet, was in Bordellen tatsächlich los ist. Es sind eben keine Betriebe wie alle anderen. Dort finden tagtäglich unvorstellbare Menschenrechtsverletzungen statt. Es geht hier um massive Gewalt, Misshandlung und Ausbeutung von Frauen.
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Weiter führte sie aus:
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In der Corona-Krise werden Probleme noch deutlicher, die es schon vorher gab, auch in der Prostitution. In dieser Branche geht es um sehr viel Geld. Alle profitieren, die Immobilienbesitzer und Vermieter, die Bordellbetreiber, das Sicherheitsgewerbe, die Menschenhändler, ja auch der Staat über Steuereinnahmen. Nur die Frauen profitieren in aller Regel nicht. Im Gegenteil. Deutschland ist Zielland des europäischen und weltweiten Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Wir sind das Bordell Europas. Es gibt so viele Frauen, dass die Preise sinken. Viele Frauen müssen zwanzig bis dreißig Freier pro Tage bedienen, dürfen keinen ablehnen, sonst werden sie von ihrem Zuhälter windelweich geschlagen. Er nimmt ihr das Geld ab, die Frauen haben nichts bis wenig davon.
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Sie wies daraufhin, dass es sich in hieruzlande häufig um Zwangsprostitution handele, die zwar verboten sei, gegen die aber nichts unternommen werde. Weiterhin beschrieb sie die Brutalität vieler Männer, die in Freier-Foren im Internet sichtbar werde. Freude an den Qualen der geschundenen Frauen wird dort offen zur Schau gestellt. Darauf verwies die Politikerin und bemängelte die Tatenlosigkeit der Justiz, diese Gewalt zu unterbinden:
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Es gibt in Deutschland Gesetze, die Zwangsprostitution verbieten. Schon heute macht sich jeder Freier strafbar, der merkt, dass eine Prostituierte gezwungen wurde, ihn zu bedienen. Ich kenne kein einziges entsprechendes Strafverfahren. Obwohl die Freier in entsprechenden Online-Foren mit ihrer Brutalität prahlen und berichten, wie Frauen Schmerzen hatten, geweint und gewimmert haben. Was bei uns passiert, ist nach heutiger Rechtslage schon illegal. Doch es ist eine nicht beherrschbare Branche. Wenn der Staat nichts ändert, wird es immer so weitergehen.
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„Gewaltbereites, menschenverachtendes Milieu“
Das führte zu besagter Anzeige. Doch damit nicht genug: Vor einigen Tagen
veröffentlichte Simone Balthus alias Hanna Lakomy eine geschmacklose
Karikatur auf Twitter. Darauf war sie selbst zu sehen, sitzend, einen
Teller auf dem Schoß. Auf diesem Teller wurde ihr der Kopf von Leni Breymaier
präsentiert.
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@LeniBreymaier wir sind doch beide ganz gut getroffen, oder?
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schrieb die Autorin der Berliner Zeitung dazu. Dem Blatt zufolge ist Escort Simone Balthus „Deutschlands bekannteste Prostituierte“. Die Karikatur wurde inzwischen seitens Twitter gelöscht.
Viele Frauen und auch Männer solidarisierten sich unterdessen mit Leni Breymaier. In diesem illustren Reigen möchten nun auch wir uns einreihen. Ein Unterstützer widmete ihr die wunderbare Zeichnung, die uns die Portraitierte für unseren Beitrag zur Verfügung stellte. Danke dafür, Leni.
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Es zeigt, in welch gewaltbereitem, menschenverachtendem Milieu sich Prostitution abspielt - und wie sie die Gehirne der Frauen in der Prostitution kaputt macht. Von wegen "Job wie jeder andere".
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kommentierte beispielsweise die Terre des Femmes (TdF) Vorstandsfrau Inge Bell.
Ein hoch organisiertes Milieu
Die Anzeige gegen Leni Breymaier wurde erstattet von Bordellbesitzern, koordiniert von der „Zukunft Rotlicht“. Als Sprecher fungiert Howard Chance, laut Webseite der Initiative
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... ehemaliger Geschäftsführer von Erotikbetrieben seit 2016 als spezialisierter Unternehmensberater für die Rotlicht-Branche bundesweit tätig. Er berät Unternehmen bei der Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) in der Praxis, entwickelt Betriebskonzepte, bessert solche im Kundenauftrag nach und ist zudem aktive Schnittstelle zu Behörden, Fachanwälten und spezialisierten Steuerberatern.
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Auf seinem Blog „Prostitution 2020“ prangert er „die Impertinenz der Frau MdB Leni Breymaier“ an.
Interessensverband von wem?
Mit den in der „Interessengemeinschaft Zukunft Rotlicht“ organisierten Bordellbetreiberinnen und –betreibern im Verbunde ist der „Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen“ (BsD). Dieser geriert sich gern als Sprachrohr der Prostituierten in Deutschland und strebt u.a. eine „Entkriminalisierung, Gleichstellung und Professionalisierung der Sexarbeit“ an. Das würde in letzter Konsequenz bedeuten, Prostitution zu einem Ausbildungsberuf zu machen und Jobcenter würde erwerbslose Frauen selbstverständlich auch als Prostituierte vermitteln. Durch die Außendarstellung als Verband, der für Prostituierte spricht, klingt das so, als sei der BsD deren demokratischer Interessensverband und nicht eine Lobbyorganisation von Betreiberinnen und -betreibern einschlägiger Lokalitäten, wie deren Webseite unschwer zu entnehmen ist.
Laut Howard Chance ist im Milieu alles bestens, jedenfalls in den von seinen Partnerinnen und Partnern betriebenen Etablissements, weshalb sie Leni Breymaier der üblen Nachrede bezichtigen.
Das mag aus Sicht von Zuhältern
so sein, die Sicht der in der Prostitution ausgebeuteten Frauen bleibt meistens
im Dunkeln. Nicht völlig grundlos, oder gar, weil sie die Sicht von Zuhältern
oder Lobbyorganisationen wie dem BsD teilen, sondern weil sie gar nicht gefragt
werden können, da sie offiziell gar nicht existieren.
Das wahre Ausmaß ist nicht bekannt
Mein Versuch, herauszufinden, wie viele Prostituierte es in Deutschland gibt, scheiterte. Die aktuellste mir bekannte Zahl war eine Aussage des Vorsitzenden des „Bundes Deutscher Kriminalbeamter“ (BdK), Sebastian Fiedler, der in einer TV-Sendung zum Thema „Organisierte Kriminalität“ (OK) sagte, das Bundeskriminalamt (BKA) gehe von etwa 800.000 Sexualkontakten pro Tag in Deutschland aus. Das war allerdings vor Corona. Auf meine Nachfrage hin verwies mich das BKA an die zuständigen Polizei-Dienststellen. Da es schlicht unmöglich ist, alle Polizei-Dienststellen bundesweit in Kreisen und kreisfreien Städten zu kontaktieren, fragte ich beim BdK nach. Auch da erhielt ich leider keine Antwort. Die Schätzungen der Prostitutions-Kritikerinnen lagen vor Corona zwischen 220 und 400.000 Prostituierten in Deutschland.
Dem kurdischen Magazin Xwebûn zufolge handelt es sich laut Schätzungen des Hamburger Hauptkommissars Detlev Ubben bei 95% der Prostituierten um Zwangsprostituierte, laut BKA-Präsident Jörg Ziercke war 2019 jede zehnte kontrollierte Prostituierte minderjährig und das Statistische Landesamt NRW ermittelte 2020, dass etwa 76,7% der Prostituierten in Deutschland keinen Pass haben. Alles bestens klingt irgendwie anders.
Vor Corona gab es laut Howard
Chance etwa 2.000
Bordellbetriebe in Deutschland, in denen der Betrieb schon 2019 rückläufig
gewesen sei, wie er beklagt.
Ein kleiner – gedanklicher - Selbstversuch
In dem taz-Interview sagte Leni Breymaier:
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Die Frau soll die Beine breit machen, 30-mal am Tag!
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Howard Chance schreibt:
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In kleineren Betrieben ist man froh, wenn man als Dame täglich 5 gute Kunden hat, im teuren Escort sind es alle paar Tage ein Kunde und selbst in den „preiswerten Laufhäusern“ liegt man nicht pausenlos auf der Matte.
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Nehmen wir mal an, Howard Chance habe Recht und Leni Breymaier tatsächlich übertrieben, dann schließen Sie jetzt bitte mal die und stellen sich eine Talkrunde in ARD oder ZDF inklusive der aus den USA, Heinsberg und der bayerischen Landeshauptstadt München per Fernschalte zugeschalteten Talk-Gäste vor, und stellen sie sich weiter vor, jeder dieser Herren zahle am kommenden Tag Geld dafür, dass Sie Sex mit ihm haben müssen. Um das ganz ausdrücklich zu betonen: Das möchte ich keinem der Gäste dieser Talkshows, und auch den Moderatoren nicht unterstellen. Das Beispiel habe ich nur gewählt, da dort häufig inklusive Moderator 4-5 Männer den Abend bestreiten. Das Beispiel ist schön griffig sozusagen.
Sie müssen die Wünsche dieser Herren erfüllen, da Sie dringend auf die Kohle angewiesen sind, da Sie das Zimmer bezahlen müssen – und hier reden wir nicht über marktübliche Mietpreise – für dessen Reinigung, ihre Klamotten, ihre Pflege- und Kosmetikprodukte, Nahrung und nicht selten auch Drogen aufkommen müssen. Ein ganz normaler Job!?
Sie tun das nicht einen Tag, sonder wieder und wieder und wieder. Sie leben in dem Zimmer, in dem sie "arbeiten", schlafen in dem Bett, in dem Sie regelmäßig gegen Geld vergewaltigt werden.
In Hamburg gehört Werbung für das Rotlichtmilieu zum offiziellen Marketing der Hansestadt. Weil, wie Leni Breymaier richtig sagt, die Stadt via Steuereinnahmen daran verdient.
Vergewaltigung als vergnügungssteuerpflichtige Angelegenheit?
Die Frauen stehen bei Wind und Wetter leicht bekleidet in den Straßen und Plätzen auf dem Kiez, mancherorts sitzen sie barbusig im Fenster, um die Männer anzulocken, die sie dann gegen Geld vergewaltigen werden. Die Männer wähnen sich im Recht, schließlich zahlen sie für ihr Vergnügen.
Doch Frauen - und auch Männer oder gar Kinder und Jugendliche - sind keine Ware. Das Vergnügen ist sehr einseitig, es geht ausschließlich um die Befriedigung der Bedürfnisse des Kunden. Der ist ja bekanntlich König, Feudalherr, die Prostituierte die Leibeigene.
Nicht einvernehmlicher Sex ist Gewalt. Jeden Tag mehrfach vergewaltigt zu werden ist Folter. Sexualisierte Folter. Dass die allermeisten Prostituierten niemals freiwillig und unter anderen Bedingungen mit ihnen schlafen würde, nehmen die Freier in Kauf.
Seit der Legalisierung der Prostitution in Deutschland im Jahr 2002 gab es etwa 100 belegbare Morde an Prostituierten. Ein ganz normaler Job? Ein übliches Arbeitsrisiko? Ich persönlich kenne keinen Beruf mit einem derart hohen Gewaltpotential, bei dem sexualisierte Gewalt zu ertragen die „Arbeit“ ist.
Leni Breymaier fordert (nicht nur) in dem taz-Interview die Einführung des „Nordischen Modells:
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Ich bin für die Einführung eines Sexkaufverbots in Deutschland, des sogenannten Nordischen Modells. Nach diesem Modell werden nicht die Frauen bestraft, sondern die Freier. Es gibt Aufklärung, und den Menschen in der Prostitution werden Ausstiegshilfen gegeben.
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Dieser Forderung schließen wir uns vollumfänglich an.
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