Es reicht! Und zwar schon lange.

 

R.I.P. unbekannte kleine Wienerin


Text: Birgit Gärtner

Wir müssen über die Täter reden – und zwar jetzt!

Einen Tag und zwei Nächte nach den Femiziden von Würzburg fanden Passanten in einem Wiener Park die Leiche eines 13jährigen Mädchens. Auch sie wurde Opfer einer Gewalttat. Die Tatverdächtigen: Zwei afghanische Asylbewerber im Alter von 16 und 18 Jahren.

ICH WILL DAS NICHT MEHR LESEN MÜSSEN!

Es ist mir völlig egal, ob der Täter Malte-Torben oder Abdirahman heißt. Wenn aber immer und immer und immer wieder junge Männer oder männliche Jugendliche aus zutiefst patriarchal strukturierten, stark religiös geprägten Gesellschaften oder Communities im Zusammenhang mit schweren Gewaltverbrechen als Täter in Erscheinung treten, dann müssen wir darüber reden.

Und es müssen Lösungen gefunden werden – zu Ungunsten der Männer, nicht zu Lasten von uns Frauen.  

Allen Männern sollte klar sein: das ist nicht nur ein Problem, dass uns als Frauen betrifft. Gewalt drängt mit aller Macht in die Öffentlichkeit. Bewaffnete Jugendliche in Schulen sind unser aller Problem.

Auch Männer werden Opfer anlassloser Gewalt in der Öffentlichkeit. Anlasslos bedeutet, dass sie von völlig Fremden attackiert werden, die sie nicht kennen und mit denen sie nie zu tun hatten. Wie beispielsweise in diesem Fall in Erfurt. Der Täter ist ein Deutscher. Es ist kein Geheimnis, dass Gewalt nicht nur „zugewandert“ ist.

Die Kriminalstatistiken sprechen eine deutliche Sprache

Aber Geflüchtete und Migranten treten überproportional häufig als Täter, bzw. Tatverdächtige in Erscheinung. Die aktuelle Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2020 habe ich noch nicht ausgewertet, aber 2019 wurden mehr als 40% der schweren Gewaltverbrechen von nicht-deutschen Männern ausgeübt.

Das hinge damit zusammen, dass Fremde (im Sinne von Ausländer/Nicht-Deutsche) eher angezeigt würden als Einheimische, heißt es gern als Erklärung. Wer ermordet wird, zeigt niemanden mehr an, weder Fremde noch Bekannte. Die Aufklärungsquote bei Mord und Totschlag liegt bei weit über 90%, als Täter entlarvt zu werden, hat also nichts mit Rassismus zu tun, sondern es ist „Glück“, nicht erwischt zu werden. Außerdem  sind auch unter den Opfern überproportional viele Nicht-Deutsche.

In der PKS „Partnerschaftsgewalt“ für 2019, eine für 2020 wird am 25. November 2021 veröffentlicht, sind sowohl jedes dritte Opfer als auch jeder dritte Tatverdächtige Nicht-Deutsche.

Wahr ist, dass Sexualstraftaten eher zur Anzeige gebracht werden, wenn sie von Fremden (im Sinne von Unbekannten) verübt werden, als bei nahestehenden Personen. Das Problem ist aber nicht die Anzeige, sondern die Tat. Das größte Problem ist, dass die wenigsten Anzeigen in dem Bereich zu einer Verurteilung des Täters führen – und nicht selten die Opfer sich auf der Anklagebank wiederfinden. Das schüchtert ein und hält Frauen von einer Anzeige ab.

Nicht wahr ist, dass die meisten Gewalttaten im Rahmen häuslicher Gewalt und die meisten Sexualstraftaten im nahen persönlichen Umfeld der Opfer stattfinden. Gewalt drängt mit aller Macht in die Öffentlichkeit. Laut der PKS für 2018 standen nur in einem Viertel der zur Anzeige gebrachten Sexualstraftaten Opfer und Täter in einem engen Verhältnis, in einem weiteren Viertel der Fälle gab es Bezugspunkte, der Tatverdächtige trainierte beispielsweise im selben Sportstudio, war ein Kollege aus einer ganz anderen Abteilung, oder arbeitete im Supermarkt, in dem das Opfer regelmäßig einkaufte. Das sind für uns Frauen aber Fremde. Bei etwa 50% der zur Anzeige gebrachten Fälle waren es zufällige Begegnungen, die mit einer Sexualstraftat endeten.  

Wir können zur Not zölibatär leben, aber gegen Gewalt in aller Öffentlichkeit können wir uns nicht schützen. Diesen Satz habe ich schon öfter geschrieben und bin dafür sehr kritisiert worden. Damit schriebe ich den Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt würden, die Verantwortung dafür zu, hieß es. Als ob irgendjemand ernsthaft annehmen könnte, ich hielte ein zölibatäres Leben für Frauen für angemessen. Frauen müssen geschützt werden – in ihren vier Wänden und außerhalb dieser.  

Täterschutz statt Opferschutz

In den allermeisten Fällen von Gewalt gegen Frauen gilt den Tätern mehr Sorge als den Opfern. So auch im Falle des Femizids von Würzburg. Unzählige Male las ich, der Täter hätte mehr und bessere professionelle Hilfe bekommen müssen.

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Potenzielle und tatsächliche Opfer und Täter brauchen mehr und bessere Therapieangebote. Über den Täter von Würzburg ist bekannt, dass er zwischenzeitig in psychiatrischer Behandlung gewesen ist. Auch, dass er schon mal bei einem Streit in seinem Wohnheim zu einem Messer gegriffen hatte. Menschen, die Konflikte mit Messern lösen wollen, brauchen eine Therapie. Auch, wenn sie keine Krankenversicherung haben. Psychische Erkrankungen bei Menschen, die in Sammelunterkünften leben, müssen genauso ernst genommen werden wie bei allen anderen. Wohnungs- und obdachlose sowie geflüchtete Menschen brauchen bessere Therapieangebote, und zwar in einer Sprache, die sie sprechen. Wenn sich keine Therapeut*innen finden, die die Sprachen der Betroffenen sprechen, müssen Übersetzer*innen bezahlt werden. Von unseren Steuern, ja. Geflüchtete Menschen müssen nicht härter behandelt werden, sondern besser,

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resümiert die Kolumnistin Margarete Stokowski im SPIEGEL.

Abgesehen davon, dass sie damit offenbart, dass sie von den Verhältnissen in Obdachlosen- und Flüchtlingsunterkünften so gar keine Ahnung hat – Gewalt ist dort Alltag, Polizeieinsätze sind die Regel, nicht die Ausnahme – habe ich so meine Zweifel, ob psychiatrische Einrichtungen im Westen in der Lage sind, die Traumata aufzufangen, die diese jungen Männer mitbringen. In Somalia herrschen gesellschaftliche Verhältnisse, die wir uns hier nicht einmal im Ansatz vorstellen können.

Und wiederum abgesehen davon, kann das keine Entschuldigung für Gewalttaten sein. Prägung, sprich Sozialisation, in einer zutiefst patriarchalen und religiös geprägten Gesellschaft, Verrohung aufgrund der gesellschaftlichen Verhältnisse und der Fluchterfahrung, sind die Ursachen für solche Taten. Wenn wir nicht in der Lage sind, solche Männer aufzufangen, können wir sie nicht aufnehmen. Sie aufzufangen, dazu gehört vor allem die Bereitschaft der Betroffenen, sich auf hiesige Verhältnisse einzulassen.

Was ist mit den Frauen, die der Gewalt dieser Männer ausgesetzt sind? In den Herkunftsländern, auf der Flucht und in den Unterkünften? Wer schützt diese Frauen?

Der Antirassismus der #unteilbar-, #wirsindmehr-, #ichbinhier-Blase hört vor der Flüchtlingsunterkunft auf. Geschützt werden die Täter, nicht die Opfer, wie die Würzburger Antifa dieser Tage sehr anschaulich demonstriert.

Was ist mit den überlebenden Opfern von Würzburg? Wer setzt sich dafür ein, dass sie die notwendige und adäquate psychologische Unterstützung bekommt? In einem Würzburger Krankenhaus liegt ein kleines Mädchen, Akines, 11 Jahre alt, Brasilianerin, oder vermutlich Deutsch-Brasilianerin. Sie wurde bei dem Attentat selbst schwer verletzt und musste miterleben, wie ihre Mutter ermordet wurde. Der Vater 11.000 km weit weg in Brasilien. Die Mutter wollte ein neues Leben in Würzburg beginnen. Mit ihrer Tochter. Ob der Vater bei diesem Neustart eingeplant war, ist nicht bekannt. Möglicherweise gab es Gründe, dass die Mutter 11.000 km Abstand zwischen ihn und sich brachte. Nun ist er der einzige, den das Mädchen hat. Bevor er sie trösten kann, muss er erstmal herkommen. Die Behörden sind imstande und muten ihm Quarantäne zu, bevor er zu seiner Tochter kann. 

Vielleicht ist das Mädchen bei ihm gut aufgehoben – vielleicht aber auch nicht. Wer kümmert sich darum? Wen interessiert das überhaupt? Aus Medienberichten weiß ich, dass die kleine Akines von Bekannten der Mutter betreut wird. Aber wer setzt sich darüber hinaus für das Mädchen ein? #unteilbar, #wirsindmehr, #ichbinhier, seid Ihr nicht nur hier, wenn es darum geht, Eure Weltsicht durchzudrücken? Seid Ihr da, wenn Mädchen wie Akines Euch brauchen? Oder all die anderen Kinder, die als Halbwaise und mit einem Vater als Mörder leben müssen?

 



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