Veranstaltung zum Berliner Neutralitätsgesetz: öffentlicher Dienst und Weltanschauung

 

Fragezeichen, Frage, Wissenschaft, Tafel, Schule, Frau




Text Juliane Beer





Eine Forderung, die innerhalb einer aufgeklärten, multikulturellen Großstadtgesellschaft selbstverständlich sein sollte, nämlich, dass LehrerInnen, PolizistInnen, RichterInnen usw. weltanschaulich neutral gekleidet und geschmückt zum Dienst zu erscheinen haben, sorgt seit Jahren in Berlin für Kontroversen.

Das Berliner Neutralitätsgesetz untersagt weltanschauliche Symbole im öffentlichen Dienst. 2020 hatte das Bundesarbeitsgericht die Regelung in Frage gestellt. Dennoch will Schulsenatorin Scheeres (SPD) am Berliner Neutralitätsgesetz festhalten, Justizsenator Behrendt (Bündnis 90/Die Grünen) hingegen will das Gesetz reformieren und damit religiöse Kleidung u.a. an Schulen und vor Gericht erlauben.

Im September 2020 vertrat in Berlin zum ersten Mal eine Referendarin mit Kopftuch den Staat vor Gericht. Erteilt wurde die Freigabe vom Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamt. Richter und Staatsanwaltschaft machten für diese Entscheidung allerdings Senator Behrendt verantwortlich. Sven Kohlmeier, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, wertete den Vorfall als Provokation. Zu Recht. Man stelle sich vor, bei Gericht werden beispielsweise Fälle von Gewalt gegen oder Mord an verschleierungsunwilligen Frauen verhandelt und die Referendarin, gar die Richterin trägt Kopftuch.
 

Anders als oft kolportiert geht es beim Streit um das Berliner Neutralitätsgesetz nicht um das muslimische Kopftuch im Schulunterricht bzw. vor Gericht. Es geht um sämtliche religiösen, politischen und weltanschaulichen Symbole im öffentlichen Dienst. Allerdings war es eine muslimische Lehrerin - und keine Christin und auch kein Jude oder Buddhist - die geklagt hatte, weshalb das muslimische Kopftuch zur Flagge derer geworden ist, die in der Forderung nach neutralem Auftreten eine Zumutung sehen bzw. dahinter gar Rassismus wittern.

Nebenbei bemerkt: dass LehrerInnen das Tragen von T-Shirts mit politischen Parolen oder Sekten-Bekenntnissen untersagt ist dürfte vermutlich jede Mutter und jeder Vater schulpflichtiger Kinder begrüßen. Genauso hat jedes Kind, dessen Eltern es sich nicht leisten können, auf Privatbeschulung umzusteigen, das Recht von Bekenntnissen jeglicher Couleur des Lehrpersonals verschont zu bleiben. Zudem ist es das Recht von atheistischen Geflüchteten, dass ihre Kinder dort, wo sie emanzipiert leben sollen, nicht erneut mit eben dem konfrontiert werden, wovor die Familie aus der Heimat floh.

Würde man also politische Bekundungen verbieten, religiöse aber zulassen, würde man sich in doppelter Hinsicht gegen Neutralität stellen.
 

Am 11. Juli von 16 bis 18 Uhr, live aus Speiches Blueskneipe und über rockradio.de spreche ich darüber mit VertreterInnen der säkularen Arbeitsgruppen von Bündnis90/Die Grünen, Die LINKE und SPD.

Für Bündnis90/Die Grünen wird Hannah Wettig, Publizistin, Arbeitsschwerpunkte: die Arabische Welt, Entwicklungszusammenarbeit, Feminismus zu Gast sein,

für die Partei Die LINKE Roman Grabowski Bezirksverordneter in der Linksfraktion in Lichtenberg und Mitinitiator der Säkularen Linken,

für die SPD Bruno Osuch, Lehrer und früherer Präsident des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg


Speiches Blueskneipe ist wieder für Publikum geöffnet und auch der Livechat ist ab 16 Uhr geschaltet. Die Sendung wird für youtube aufgezeichnet.

Wir freuen uns auf eure Fragen und Beiträge 

 

Nachtrag: Hier kann man die Sendung anschauen

 https://www.youtube.com/watch?v=2G0pLFC8tpQ

 

 

 

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