Prostitution und 2G
Text Juliane Beer
Bei Inanspruchnahme sogenannter körpernaher Dienstleistungen, als da z.B. wären Friseur oder Massagestudio, gilt ab sofort, dass man genesen oder gepimpt sein muss. Auch die Prostitution fällt unter diese Regelung. Für zahllose Frauen, die unter falschen Versprechungen von einer geduldeten Schlepperindustrie nach Deutschland (aufgrund der Gesetzgebung auch “Puff von Europa“ genannt) gelockt wurden und hier, ebenfalls geduldet, in völlig rechtsfreiem Raum leben und sich prostituieren müssen, ist es völlig einerlei, ob ihre “Kundschaft“ gegen was auch immer geimpft und von was auch immer genesen ist, oder sich wie auch immer aufführt. Diese Frauen haben zu funktionieren. Mehr nicht.
Wenn nun der Berliner Senat vollmundig ankündigt, die Einhaltung der Corona-Regeln strikt überwachen zu lassen, darf man sich fragen, warum bislang weder in Berlin noch sonst wo in Deutschland das Treiben von Menschenhändlern “strikt überwacht“ wurde. Oder wird es längst “strikt überwacht“ und steht unter staatlichem Schutz?
Warum Prostitution keine Arbeit ist und zahllose Prostituierte vogelfrei sind (wie sich in schwierigen Zeiten deutlicher denn je zeigt) habe ich u.a. in meiner Streitschrift
Que(e)rverbindungen – Die neue Sehnsucht nach Gefügigkeit
dargelegt
[...]In queeren Kreisen wird Prostitution zwar häufig als weibliches Empowerment gehandelt, es wäre jedoch unfair gegenüber in diesem Punkt reflektierten Queerfeministinnen, dem Queerfeminismus insgesamt Prostitutions-Apologie vorzuwerfen, auch wenn dies ein verbreitetes Phänomen ist.
Warum aber unterstützen viele Queerfeministinnen überhaupt die Prostitutions- und Menschenhandelslobby?
Meine These ist, dass Unterstützung deshalb besteht, weil Sexkauf eine männliche Domäne ist und Queerfeministinnen auf die Befriedigung männlicher Bedürfnisse abonniert sind. Übrigens sind von Menschenhandel und Prostitution auch Männer und Jungen betroffen. Wie bei weiblichen Prostituierten sind es diejenigen, die aus wirtschaftlichen Gründen dazu gezwungen sind, bzw. diejenigen, die sich gegen den Zwang, ihren Körper zur Verfügung zu stellen, nicht wehren können.
Wie bereits dargestellt, schließt der Queerfeminismus auch Männer ein, die sich als Frau fühlen. Geschminkt und in Kleid und Stöckelschuhen gehen auch gefühlte Frauen, also Männer, der Tätigkeit als „weibliche“ Prostituierte nach, tun dies in sozialen Netzwerken kund und betreiben dadurch für die Menschenhandelslobby stylische, zeitgemäße Öffentlichkeitsarbeit. Ein Beispiel für dieses Agitieren ist die Podcast-Plattform Whoroscope.1 Dort wird Prostitution verharmlost, Zwangsprostitution ausgeblendet. Man beklagt hingegen beispielsweise, dass „Sexarbeit“ durch Herrschaftsverhältnisse Ausgrenzung erlebe und erleide, was eine seltsame Sicht auf Prostitution darstellt. Zu wünschen wäre vielmehr, dass Regierungen endlich wasserdichte Gesetze gegen Menschenhandel und das Geschäft mit sexueller Misshandlung beschließen, was diese eben nicht tun, da der internationale Menschenhandel bzw. sexuelle Misshandlung erwünscht, da wirtschaftlich hoch lukrativ ist, weil männliche Bedürfnisse befriedigt werden. So ist bekannt, dass in deutschen Jobcentern immer wieder versucht wird, erwerbslose Frauen im Sexdienstleistungsbereich unterzubringen. Ein Fallbeispiel dazu weiter unten.
Natürlich dürfen Gesetze gegen Menschenhandel nicht diejenigen kriminalisieren, die gezwungen sind, ihre Körper zu vermieten, sondern die, die die Lage einer Person, die aus welchen Gründen auch immer – meistens aus wirtschaftlicher Not – ihren Körper vermieten muss, ausnutzen. Auf der Plattform Whoroscope findet man u. a. Beiträge zu „Trans*Sexwork“, die für Prostitution und damit, evtl. unabsichtlich oder einfach gedankenlos, für die internationale Menschenhandels-Lobby agitieren. Die sagt sehr vermutlich: Danke schön.
Für diejenigen, die nach wie vor fragen, warum Prostitution frauen- bzw. menschenverachtend ist im Folgenden ein paar Denkanstöße.
Nicht nur im übertragenen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes ist für die Prostituierte jede Grenze zwischen der Lohnarbeit und demjenigen, der diese Lohnarbeit, oder in diesem Fall den Lohnarbeiterinnen-Körper mietet, aufgehoben. Man darf Prostitution somit zu Recht als Königsdisziplin kapitalistischer Ausbeutung bezeichnen. Da im Queerfeminismus gesamtgesellschaftliche Missstände eine eher untergeordnete Rolle spielen, wundert es nicht, dass auch dieser Punkt ausgeblendet wird. Wie halten es ProstitutionsbefürworterInnen mit dieser Form allumfassender Verfügbarkeit?
Eine Position ist, dass Prostitution, euphemistisch als „Sexarbeit“ bezeichnet, eine Lohnarbeit wie jede andere wäre.
Diejenige, der nichts anderes übrig bleibt, als ihren Körper gegen Lohn zur Verfügung zu stellen, ist laut der BefürworterInnen „eine Sexarbeiter*in“. Wollte man zynisch sein, könnte man linken BefürworterInnen hier Konsequenz attestieren, denn die Prostituierte ist das Produktionsmittel in Person. Aber nur auf den ersten Blick. Zwar spricht man sich unter QueerfeministInnen auch hier und da gegen den Kapitalismus aus, findet offenbar aber nichts dabei, dass derjenige, der sich – im Sinne des Systems Kapitalismus – geschickt verhält, gegen Zahlung eines Geldbetrags über den Körper derjenigen verfügen darf, die sich im System Kapitalismus aus zahlreichen Gründen, beispielsweise Sozialisation zur Rücksichtnahme und Bescheidenheit, Kindererziehung oder Geburt in einem Land, in dem die Frau Leibeigene des Mannes ist, gar nicht erfolgreich verhalten kann. Ignoriert werden zudem zahllose Frauen und Kinder, die Monat für Monat unter falschen Versprechungen aus Ländern ohne Sozialsystem nach Deutschland gelockt werden und hier aufgrund der großzügigen Regelungen bezüglich Prostitution in Bordellen verschwinden. Gezwungen oder freiwillig? Zwang ist der Prostitution immanent. Ohne Zwang gäbe es kein Geschäft mit der Prostitution, denn mit den paar Prostituierten, die erklären, ihre Tätigkeit gern und freiwillig auszuüben, wäre eindeutig kein Milliardengeschäft zu machen, wie es jedoch in Europa und gerade in Deutschland gemacht wird.
Zum Thema Freiwilligkeit ist hinzuzufügen, dass das, was man aus freier Entscheidung tut, dennoch immer in einem gesellschaftlichen Kontext betrachtet werden muss.
Freiwillige Prostitution innerhalb des kapitalistischen Systems zu betrachten, bedeutet u. a., Frauenarmut und Frauenunterdrückung mit zu betrachten. Keine Millionärin würde tagtäglich mehrmals ihren Körper für Beträge von zum Teil rund 20 Euro und darunter zur Verfügung stellen. Ein wohlhabender Mann übrigens ebenso wenig. Warum auch? Er hat die Möglichkeit, sich wirtschaftlich weniger potente Individuen zu mieten.
Das Schwedische Modell
Das sogenannte „Schwedische Modell“, das in den skandinavischen Ländern eine Strafverfolgung von Sexkäufern vorsieht, wird von den Sexarbeit-ApologetInnen häufig abgelehnt, mit der Begründung, es würde Prostituierte bei der Arbeit behindern.
Man fürchtet, dass Sexkäufer sich abgeschreckt fühlten, wenn die Gefahr bestünde, ertappt und zu Geld- oder Freiheitsstrafen verurteilt zu werden. Die Sexarbeit-BefürworterInnen betrachten Prostitution damit aus der Perspektive des wirtschaftlich überlegenen Sexkäufers – und nicht aus der Perspektive der Prostituierten, denen mit der Gesetzgebung nach dem „Schwedischen Modell“ zumindest eine, wenn auch nicht ausreichende Form der Sicherheit zugestanden wird. Prostituierte haben im Rahmen des Schwedischen Modells die Möglichkeit, den Sexkäufer anzuzeigen, falls er sich nicht angemessen verhält – was immer man in einer Situation, in der jemand einen Körper zu mieten in der Lage ist, beziehungsweise jemand den eigenen Körper zu vermieten gezwungen ist, unter „angemessenem Verhalten“ verstehen mag.
Vermittlung beim Arbeitsamt?
Die logische Konsequenz dieser Sichtweise, Prostitution sei gleich Arbeit wie jede andere auch, wäre, Sexdienstleistungen als zumutbare Lohnarbeit beim Arbeitsamt zu vermitteln. Würde die Erwerbslose entsprechende Stellenangebote ablehnen, hätte sie mit Sanktionen, u. a. Kürzungen des Arbeitslosengeldes zu rechnen. Bereits heute (Stand: 2021) berichten Prostituierte, dass ihre Bestrebungen, aus der Prostitution auszusteigen, beim Arbeitsamt oder Jobcenter nicht unterstützt werden. Im Gegenteil werden betroffene Frauen aufgefordert, sich innerhalb der „Branche“ eine andere Betätigung, wie beispielsweise Tätigkeiten in einer Peepshow oder einem Pornofilmdreh, zu suchen.
2016 wurde in Berlin der Fall einer Physikerin publik, die in der Kinderbildung arbeitete, aufstockend Hartz lV bezog und deshalb aufgefordert wurde, sich als Vollzeit-Verkäuferin in einem Erotik-Shop zu bewerben. Berliner Tageszeitungen berichteten. Die junge Frau hatte den Job abgelehnt, daraufhin wurde ihr die Unterstützung gekürzt. Erst als sich die Presse einschaltete, wurde die Sanktion des Jobcenters wieder zurückgenommen. Genau an diesem Fall zeigte sich schließlich, was es in der Praxis der Arbeitsvermittlung bedeutete, Prostitution beziehungsweise Lohnarbeit im Sexgewerbe als Lohnarbeit wie jede andere anzuerkennen. Es handelte sich dann schlicht und einfach um eine zumutbare Beschäftigung, nach §140 SGB III, Absatz 1 und Absatz 5, der keinen einzigen Hinweis auf eine Möglichkeit enthält, eine Beschäftigung im Sexgewerbe abzulehnen.
Und bei Schwulen?
Da auch homosexuelle Männer Sexkäufer sind, müsste die „Prostitution-ist-Arbeit-wie-jede-andere“-Fraktion z. B. innerhalb der Partei Die Linke konsequenterweise dafür sein, junge Männer über Arbeitsagenturen in diese Tätigkeit zu vermitteln. Über derartige Ansätze ist nichts bekannt.
Recherchiert man zum Thema „Die Linke und männliche Prostitution“, finden sich, im Gegenteil, lediglich Verurteilungen und Empörung, und zwar in Bezug auf den sogenannten Flüchtlingsstrich im Berliner Tiergarten, wo sich geflüchtete Männer, zumeist ohne Aufenthaltserlaubnis in Deutschland, für Spottpreise Homosexuellen anbieten (müssen). Die Empörung der Linken darüber ist absolut verständlich, was die gleichzeitige Beschönigung weiblicher Prostitution allerdings nur umso unverständlicher macht.
Die einzige humane Antwort auf Prostitution kann nur die sein, wie in skandinavischen Ländern praktiziert, Sexkäufer zu bestrafen. Darüber hinaus muss präventiv in der Erziehung von Mädchen endlich höchstes Ziel sein, Selbstwertgefühl, Selbstliebe und Kritikfähigkeit auszubilden. Die, die um ihren Wert weiß, verkauft ihre Arbeitskraft nicht unter diesem. Und den eigenen Körper verkauft sie überhaupt nicht, wenn sie gelernt hat, wie wertvoll und damit unverkäuflich er ist.
https://whoroscope.eu/
https://www.fembooks.de/Juliane-Beer-Queerverbindungen-Die-neue-Sehnsucht-nach-Gefuegigkeit
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