Ein Hoch auf die berühmten Vorkämpferinnen im Medienbereich

 

 


Text und Grafik: Birgit Gärtner

Viele berühmte und nicht so berühmte Frauen ebneten auch mir den Weg – „Georgine“ Kellermann gehört allerdings nicht dazu.

Heute sind Frauen aus dem Medienbetrieb nicht mehr wegzudenken, auch wenn sie in den Führungspostionen immer noch absolut unterpräsentiert sind. Größtenteils entscheiden Männer, was Frauen in den Medien sagen, schreiben und senden dürfen. In bestimmten Bereichen, im Sportjournalismus z. B., müssen die Kolleginnen heute noch ihren Platz am Mikro erkämpfen.

Das Wissen darüber, wie schwierig es für Frauen war, sich überhaupt in der Branche zu etablieren, ist weitestgehend verloren gegangen. Zunächst war ihnen mehr oder weniger der Part einer sprechenden Ankleidepuppe beschieden, nur nach und nach erkämpften sich Pionierinnen wie Wiebke Bruns, Dagmar Berghoff, Carmen Thomas, Lea Rosh oder Luc Jochimsen Anerkennung als Kollegin und „durften“ mehr als Nachrichten verlesen, also nachplappern, was Männer ihnen vorkauten.

Als Boomerin, die diesen Weg vor fast 30 Jahren eingeschlagen hat und damals immer noch eine von wenigen war, die sich der Politik statt Beauty, Handarbeit oder Kochen widmete, möchte ich dem Kollektivgedächtnis etwas auf die Sprünge helfen.

Tatsächlich konnte ich vom Schreiben viele Jahre nicht leben, habe deshalb immer gejobbt, u.a. als gelernte Einzelhandelskauffrau wie auch während meines Soziologie-Studiums im Verkauf. Als freiberufliche Journalistin legte ich quasi nebenher als Quereinsteigerin eine bescheidene „Karriere“ in der Gastro hin: Von der Küchenhilfe zur Küchenchefin. 

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Das ist allerdings, allein schon aus Altergründen, lange vorbei. Der Journalismus ist geblieben und hat mir einen zwar lausig bezahlten, aber traumhaften Job als Online-Redakteurin eines Inklusionsprojekts beschert, in dem ich Gastro-, Kultur- und Tourismusbetriebe auf Barrierefreiheit teste. Abgesehen davon, dass ich dabei auch meine Gastroskills einfließen lassen kann, arbeite ich hauptberuflich da, wo andere ihre Freizeit verbringen oder Urlaub machen.

„Georgine“ – die Kollegin, die keine ist

Aktuell – rund um den Frauentag – hat eine „Kollegin“ wieder Mal ihre große Zeit. Eine Kollegin, die gar keine ist, sondern ein Kollege, der seine Karriere als Mann gemacht hat, zu einer Zeit, als dies für Frauen – Mütter zumal – bis auf wenige Ausnahmen nahezu unmöglich war. Zum Frauentag wird „Georgine“ Kellermann zu Gesprächen auch über „ihre“ Zeit als „Auslandskorrespondentin“ geladen. Auch wenn wir der Translogik und Kellermanns Identifikation als Frau folgen würden: Das stimmt schlicht nicht. Nicht Georgine Kellermann war ARD-„Auslandskorrespondentin“, sondern Georg Kellermann Auslandskorrespondent. „Georgine Kellermann“ und „Auslandskorrespondentin“ ist nicht nur sachlich falsch, sondern die Mediengeschichte wird umgeschrieben und ein Stück Frauengeschichte wird negiert. Die größte Tragik dabei ist, dass Feministinnen daran mitwirken.

Es gibt einen Wikipedia-Eintrag zu „Georgine Kellermann“. Dort steht in Klammern, dass er als Georg Kellermann geboren wurde. So weit, so halbgut. Der Lebenslauf wird allerdings ausschließlich in weiblicher Form verfasst:

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Kellermann besuchte von 1969 bis 1978 das Theodor-Heuss-Gymnasium in Ratingen und schrieb bereits vor dem Abitur für die Lokalredaktion Ratingen der Rheinischen Post. 1983, kurz nach Start des WDR-Abendmagazins Aktuelle Stunde, bewarb sie sich dort und wurde Regionalkorrespondentin für Duisburg und den Niederrhein. Die letzten Arbeitskämpfe der Stahlarbeiter in Duisburg-Rheinhausen war in jener Zeit eines ihrer Hauptthemen.

1992 wurde Kellermann Redakteurin des ebenfalls gerade gestarteten ARD-Morgenmagazins und berichtete als Korrespondentin aus Washington und Paris. 1997 zog sie nach Washington, um von dort zusammen mit Claus Kleber, Tom Buhrow und Sabine Reifenberg als Korrespondenten für die ARD zu berichten. 2002 ging Kellermann für fünf Jahre als ARD-Korrespondentin nach Paris, führte ab 2006 das ARD-Studio in Bonn und wurde 2014 Studioleiterin des WDR-Studios in Duisburg. 2019 übernahm sie die Leitung des WDR-Studios in Essen. Im September 2023 ging Kellermann nach mehr als 40 Jahren Berufstätigkeit in den Ruhestand.

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Bereits in den 1980ern, ist dort zu lesen, sei der Vater ins Vertrauen gezogen worden und auch der engste Freundeskreis habe gewusst, dass Kellermann „transgender ist“:

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In ihrer vertrauten Umgebung trug sie seit Jahren Frauenkleidung.

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Jetzt muss ich nochmal die Boomerin raushängen lassen: Das war in den 1980ern überhaupt kein gesellschaftlich relevantes Thema. Die schrillsten Outfits waren Mode, lackierte Fingernägel und Lippenstift bei Männern, alles kein Drama. Wenn Ihr das nicht glaubt, schaut Euch 80er Jahre Musikvideos an. Uns war schlicht egal, ob Freddy Mercury oder Jimmy Summerville schwul waren, wir haben zu „Lola“ geschwoft und den Text mitgegrölt. Bunt und schrill ging es nicht nur auf der Bühne zu, sondern auch auf der Tanzfläche davor.

Allerdings, und das war die Lebensrealität von Georg Kellermann zu dem Zeitpunkt, in den biederen Medien wie dem WDR schickte es sich selbstverständlich nicht, dass dort Reporter geschminkt und in  Frauenkleidung ihren Job machen. Aber auch Menschen, die sich nicht transgender fühlten, mussten sich dem Dresscode unterwerfen. Für Frauen – sofern sie im Rampenlicht standen – gehörten zu diesem Dresscode Highheels.

Für Kellermann war es „ein wahnsinniger Kraftakt“, dass er als Mann im Job keine tragen durfte:

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Ich hatte die Pumps an, bis ich in die Tiefgarage des Studios fuhr. Dann habe ich sie ausgezogen.

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Georg Kellermann machte eine beachtliche Karriere: Von der „Aktuellen Stunde“ im WDR zum Auslandskorrespondenten der ARD in Washington und Paris, 1997 Washington und 2002-06 Paris. Danach Leiter des ARD-Studios in Bonn, dann Studioleiter des WDR-Studios in Duisburg, von 2019 bis zur Pensionierung Leiter des WDR-Studios in Essen. 

Medien – eine Männerdomäne

1983, als Georg Kellermann sich beim WDR als Regionalkorrespondent für Duisburg und den Niederrhein bewarb, waren Frauen im Medienbetrieb eine Ausnahme. Vor allem in den Redaktionen, in repräsentativen Funktionen, sprich vor der Kamera, waren sie später gern gesehen, z. B. als „Nachrichtenansagerin“. Die Funktion war: Nachplappern, was andere – d.h. Männer – ihnen vorkauten. Als die ersten Frauen die „Nachrichten sprachen“, herrschte allgemein die Ansicht vor, Frauen könnten keine Nachrichten sprechen, da sie nichts von Politik verstünden und bei Unglücksmeldungen emotional reagierten.

Als erste Frau im westdeutschen Fernsehen moderierte Wiebke Bruns am 12. Mai 1971 die Spätausgabe der ZDF-Sendung „heute“. In ihrem Buch „Nachrichtenzeit“ schrieb sie:

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Anderer Leute Texte vorzulesen ohne eigene Interpretation war mein Ding nicht. […] Ich wollte weg. Dann aber sähe das aus, gaben die ZDF-Oberen zu bedenken, als sei das „Experiment“ Nachrichtenfrau gescheitert. Das wollte ich nicht riskieren.

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1972 moderierte Carmen Thomas als erste Frau das WDR-Magazin „hier und heute“, im darauffolgenden Jahr, am 3. Februar 1973 moderierte sie als erste Frau das ZDF-Sportstudio. In der Sendung vom 21. Juli 1973 kam es zum legendären Versprecher „Schalke 05“. Was heute lediglich für Heiterkeit sorgen würde, wurde damals als Beweis gedeutet, dass Frauen von Sport keine Ahnung hätten. Allerdings ist die allgemeine Annahme falsch, dass dieser Versprecher sie ihren Job als „Sportschau“-Moderatorin kostete, sie blieb noch ca. anderthalb Jahre lang. Sie kündigte – und zwar weil sie eine Festanstellung beim WDR erstritten hatte. 20 Jahre lang. Von 1974 bis 1994, moderierte sie die Sendung „Hallo Ü-Wagen“, die sie zu meinem großen Vorbild machte. Wegen Carmen Thomas und des Ü-Wagens wollte ich unbedingt Journalistin werden.

Die Sendung, die zunächst wöchentlich mittwochs und später samstags im WDR-Radio live ausgestrahlt wurde, war nicht nur einfach Klasse, sondern ein Novum. Jede Woche gab es ein anderes Thema, Carmen Thomas ließ sich auch gern einladen, um vor Ort Probleme zu diskutieren. Auf der Bühne des Ü-Wagens standen dann beispielsweise Vertreterinnen einer Initiative zum Erhalt des örtlichen Baumbestandes, lokale Politiker, Prominenz genauso wie betroffene Anwohner und nach einer gewissen Zeit wurde das Publikum einbezogen. Alle durften alles sagen, nichts wurde weggeschnitten. Ging ja auch gar nicht, die Sendung war live.  Das war mein Ding, das wollte ich auch: Kreuz und quer durch NRW reisen, mit Kreti und Pleti plaudern, jede Woche an einem anderen Ort über ein anderes Thema, kritisch nachfragen, die Standpunkte aufeinander prallen lassen, manchmal die Wogen glätten, manchmal einen Streit vom Zaume brechen. Und das mit dem Mikro in meiner Hand! Leider wurde diese Sendung 2010 eingestellt, ich würde sie heute noch hören, obwohl ich seit fast 35 Jahren in Hamburg lebe.

1973 moderierte mit Lea Rosh die erste Frau eine Techniksendung, den „ARD-Ratgeber Technik“. 1982 übernahm sie als erste Frau überhaupt die Moderation des Politmagazins „Kennzeichen D“ im ZDF.

Dagmar Berghoff ist zwar die berühmtere, dennoch „lediglich“ dritte „Fernsehansagerin“: Ab 1976 moderierte sie die ARD-„Tagesschau“, von 1995 bis 1999 war sie „Chefsprecherin“ der Tagesschau. Das war indes mehr, als nur Nachrichten vor- bzw. vom Teleprompter ablesen. Schon lange gehören die Moderatorinnen und Moderatoren zum Redaktionsteam.

Luc Jochimsen, mit der Lea Rosh das Magazin „Frauenforum“ im NDR entwickelte und moderierte, wurde 1994  Chefredakteurin Fernsehen beim Hessischen Rundfunk.

Die DDR war da etwas weiter: 1963 wurde Anne-Rose Neumann Nachrichtensprecherin des Deutschen Fernsehfunks, dem staatlichen Fernsehsender der DDR.

Zu der Zeit, als Frauen in den Medien wenig präsent waren und die paar gestandenen Frauen, die es gab, heftigen Gegenwind, nicht nur von den selbstverständlich männlich besetzten Chefetagen, sondern auch aus der Bevölkerung bekamen, laut Wiebke Bruns auch von vielen Frauen, war es für den Abiturienten Georg Kellermann offenbar kein Problem, Beiträge in der Lokalredaktion Ratingen der Rheinischen Post unterzubringen. Das war sein Sprungbrett in die Lokalredaktion des WDR.

Das offizielle Comingout als Transgender erfolgte 2019, als er 62 Jahre alt war und kurz vor der Pensionierung stand. In dem Dress, den er für den Inbegriff von Weiblichkeit hält, im Sender zu erscheinen, verlangte ihm nicht nur eine Dreiviertelstunde weniger Schlaf für die Umwandlung von Georg in Georgine ab, sondern auch Mut. Dass er nicht nur „als Frau akzeptiert“, sondern nachgerade bejubelt wurde, damit konnte er tatsächlich auch 2019 nicht rechnen. „Ich habe einen Candystorm geerntet“, staunt Kellermann in einem Zeit-Interview.

Medien – kein Platz für Mütter

Von den genannten Frauen haben nur Wiebke Bruns und Luc Jochimsen Kinder. Wiebke Bruns hat beruflich eine Familienphase eingelegt, was ihrer Karriere indes nicht geschadet hat, und Luc Jochimsen wurde von ihren Eltern unterstützt, um ihre Berufstätigkeit trotz Kind so ausüben zu können, wie sie es tat.  

Georg Kellermann hat eine erwachsene Tochter, die in Washington lebt. Die Ehe mit der Mutter ging in die Brüche, als das Mädchen noch klein war. Er musste sich also nicht um sie kümmern und konnte problemlos von Washington nach Paris und schließlich zurück an den Rhein umsiedeln.

Wie bereits beschrieben, Carmen Thomas und ihr Ü-Wagen waren meine Inspiration, Journalistin zu werden. Genau das wollte ich auch. Bis heute bin ich überzeugt davon, dass der Ü-Wagen und ich ein super Match gewesen wären. Nur 1994, als Carmen Thomas ausstieg, hätte ich als Mutter eines Grundschülers diesen Job nicht machen können, selbst wenn ich formal die Voraussetzungen erfüllt hätte. Geschweige denn, dass ich mit Kind als Auslandskorrespondentin durch die Welt hätte tingeln können. Und da bin ich keine Ausnahme. Auch als Fernsehmoderatorin zu arbeiten ist für viele Mütter bis heute eine Illusion, sofern sie nicht einen verlässlichen Partner oder ein gutes, funktionierendes Netzwerk haben. Beispielsweise Pinar Atalay, Nazan Eckes oder Barbara Schöneberger haben Kinder. Sie haben etwas geschafft, das für Frauen immer noch nicht Selbstverständlich ist: Die Vereinbarkeit von Familie und Karriere. Und sie sind glücklicherweise nicht die einzigen, aber es ist noch lange nicht der Regelfall. Auch für die drei Genannten war das sicher nicht immer einfach. Dafür gebührt ihnen mein Respekt.

Gefeiert – auch von Feministinnen – wird indes ein Mann, der nicht mehr vollbracht hat, als sich morgens eine Dreiviertelstunde früher aus dem Bett zu quälen und sich seinen patriarchalen Vorstellungen von Weiblichkeit gemäß von Georg in Georgine zu verwandeln.

Transideologie – ein Angriff auf unser Innerstes

Die rückwirkende Umschreibung männlicher Normal-Biografien zu weiblichen Erfolgsstories ist allerdings mehr als Geschichtsklitterung und damit Negierung weiblicher Lebensrealitäten, die Transideologie insgesamt ist ein Angriff auf den innersten Kern unserer Persönlichkeit, der mit dem Begriff „Gaslighting“ beschrieben wird. Darunter wird die gezielte Manipulation einer Person verstanden, die auf Desorientierung, Realitätsverlust und Beeinträchtigung des Selbstbewusstseins abzielt. Personen wie „Georgine“ Kellermann oder „Tessa“ Ganserer werden als Mann wahrgenommen, egal, wie sie sich kleiden. Nun sollen wir auch noch qua Gesetz dazu verpflichtet werden, sie als Frau anzuerkennen. Tun wir das nicht, so drohen uns drakonische Strafen, wenn das „Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag“ (SBGG) tatsächlich beschlossen werden sollte. Das ist strukturelles Gaslighting. Laut Wikipedia werden

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ähnliche Methoden werden von totalitären Regimen und Sekten als Mittel zur Gehirnwäsche, „Zersetzung“ (Stasi), Manipulation und Indoktrination angewendet und führen beim Opfer unter anderem zu tiefgreifender und nachhaltiger, teilweise existenzieller Verunsicherung und Verwirrung, zur Schwächung und Schädigung von Selbstbewusstsein, Persönlichkeit und Widerstandskraft, zur Herbeiführung von Angst- und Panikzuständen bis hin zu Wahnvorstellungen und psychotischen Zuständen.

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Wenn wir unserer Wahrnehmung nicht mehr vertrauen können, wem denn dann?

Die Frage, die sich mir stellt: Was verspricht sich die Regierung perspektivisch von einer völlig desorientierten, sprich destabilisierten Bevölkerung?

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