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Text und Fotos: Birgit Gärtner

Geplanter Anschlag auf die Synagoge in Bochum

Am 24. Juli 2024 geschah das Unerwartete: Um 6 Uhr früh verschafften sich Polizeibeamte Zutritt zur Imam-Ali-Moschee, besser bekannt als Blaue Moschee, an der Alster. Diese wurde Anfang der 1960er Jahre in Abstimmung, enger Zusammenarbeit und unter Aufsicht der theologischen Hochschule in Qom (Iran), einem der beiden geistigen Zentren des Schiitentums, erbaut. Später wurde sie zum Sitz des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH), aus dem die „Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands“ hervorging, ein Dachverband mit rund 150 Mitgliedsvereinigungen.

Das IZH war Mitglied der SCHURA, dem Rat der islamischen Gemeinschaften Hamburg, die IGS Mitglied im Zentralrat der Muslime Deutschland (ZMD).

Bereits im November 2023 kam es zu Razzien im IZH und verschiedenen anderen Mitgliedsvereinigungen der IGS, insgesamt 55 Einrichtungen in sieben Bundesländern. Am 24. Juli 2024 wurden erneut Dutzende Untergliederungen in verschiedenen Bundesländern durchsucht: Insgesamt 53 Objekte in acht Bundesländern, darunter das private Wohnhaus der Gebrüder Yavuz und Gürhan Özoğuz sowie deren Geschäftsräume, ein Verbot ausgesprochen, das IZH, bzw. die Blaue Moschee sowie drei weitere schiitische Moscheevereine geschlossen und das Gebäude beschlagnahmt. 

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Noch am späten Nachmittag waren Einsatzkräfte dabei, selbiges leer zu räumen. In Medien war zu lesen, es sei „säckeweise Geld“ gefunden worden. Nicht nur die Immobile, der gesamte Besitz, auch das Barvermögen, wurde beschlagnahmt. Ob das alle vor Gerichten Bestand hat, wird die Zukunft entscheiden, denn eines ist klar: IZH, bzw. IGS, werden vermutlich rechtliche Schritte gegen die Maßnahme einleiten.

An dieser Stelle möchte ich mich indes nicht mit der Zukunft der Blauen Moschee, sondern mit dessen Geschichte befassen. Nirgendwo ist die persische so sehr mit der deutschen Geschichte verknüpft, wie in Hamburg, konkret in der Blauen Mosche an der Außenalster; die vermeintlich „arische“ Abstammung und in Folge davon Antisemitismus inklusive. 

Geplanter Anschlag auf die Synagoge in Bochum

Der Vorwurf stand schon länger im Raum, seit dem 20. März 2024 sieht sich das Auswärtige Amt (AA) in ihrer Vermutung durch die Urteilsbegründung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf bestätigt: Der Brandanschlag auf eine Schule in Bochum in der Nacht zum 18. November 2022, der ursprünglich die Synagoge treffen sollte, geht mutmaßlich auf eine staatliche iranische Stelle zurück. Nach dem Anschlag hatte die Generalbundesanwaltschaft die Ermittlungen an sich gezogen und am 8. Mai 2023 „Anklage gegen den deutsch-iranischen Staatsangehörigen Babak J. erhoben“. Der Prozess fand vor dem OLG Düsseldorf statt, Babak J. wurde im Dezember 2023 zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Nach Verkündung des Urteils teilte das AA in sozialen Medien mit: „Der geplante Anschlag auf eine Synagoge im November 2022 in Bochum geht laut dem OLG Düsseldorf auf eine staatliche iranische Stelle zurück.“ Die Generalbundesanwaltschaft ihrerseits sprach von „Staatsterror“, die Urteilsbegründung scheint stichhaltige Beweise dafür zu liefern.   

Auftraggeber soll dem ARD-Magazin „Kontraste“ zufolge die iranische Revolutionsgarde sein. Demnach soll in deren Auftrag der Deutsch-Iraner Ramin Y., ein gesuchter mutmaßlicher Mörder aus dem Rockermilieu, Babak J. angeheuert haben. Er selbst bestreitet die Vorwürfe und sieht sich einer Vorverurteilung durch Medien und Justiz ausgesetzt, wie er Kontraste zufolge in sozialen Medien schreibt. 

Auf Fotoaufnahmen von Ramin Y. ist ein Hakenkreuztattoo zu  sehen und der Islamismus-Expertin Sigrid-Hermann zufolge, die den Prozess gegen Babak J. verfolgte, wurden „auf dessen Datenträgern massenhaft pro-iranische und auch judenfeindliche Inhalte gefunden“.

Babak J. wiederum versuchte einen weiteren iranisch-stämmigen Mann zu einem Anschlag auf die Synagoge in Dortmund anzustiften. Der ging jedoch stattdessen zur Polizei. Dort gab er u.a. an, Babak J. habe ihm zugesagt, dass die zuständigen iranischen Behörden laufende Strafverfahren gegen ihn einstellen würden und er wieder in sein Herkunftsland einreisen könne.

Um die Zusammenhänge zu verstehen, müssen wir uns von der Vorstellung lösen, Rockerclubs bestünden aus alten, weißen Männern, die mit ihren Harleys gemächlich durch die Gegend kutschieren und bisweilen in typische Rotlichtkriminalität wie Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung sowie Drogen- und Waffenhandel und dann und wann auch in Gewaltverbrechen verstrickt sind. Die berühmt-berüchtigten Rockerbanden wurden schon längst von jungen – und nicht mehr ganz so jungen – Migranten gekapert. Diese stehen indes meistens auf protzige Schlitten statt auf heiße Öfen. So auch Ramin Y., der nicht nur eine Angeberkarre fuhr, sondern damit handelte.

Ferner müssen wir die Vorstellung über Bord werfen, (Organisierte) Kriminalität und islamisches Milieu sei ein Widerspruch. Und wir müssen das komplexe politische System des Iran verstehen, in dem religiöse und zivile Strukturen, Parlament, Armee, Geheimdienste, nebeneinander existieren, wobei die zivilen Stellen den religiösen untergeordnet sind.

Die Spuren führen nach Teheran

Ramin Y. wurde laut Wikipedia in Mönchengladbach geboren und begann als 18jähriger, als Türsteher und bei Sicherheitsdiensten zu arbeiten. Er landete im Rotlichtmilieu und wurde Geschäftsführer eines Bordells. Schließlich schloss er sich dem Rockerclub Bandidos an und gründete ein eigenes Chapter, so werden die einzelnen Einheiten genannt. Mitsamt seinen Gefolgsleuten lief er zu den mit den Bandidos verfeindeten Hells Angels über und soll so einen Rockerkrieg am Niederrhein entfacht haben. Schon zu seinen Bandidos-Zeiten galt er als gewalttätig, seinem Bandido-Chapter wurde vorgeworfen, mehrere Mitglieder der Hells Angels angegriffen und z. T. lebensgefährlich verletzt zu haben. 2014 geriet er unter Mordverdacht, er soll Kai M., ein anderes Hells-Angels-Clubmitglied, ermordet haben. Dieser wurde erschossen, zerstückelt und die Leichenteile im Rhein entsorgt. Über einen längeren Zeitraum wurden sie an verschiedenen Orten angespült, bis letztlich anhand eines auffälligen Tattoos die Identität festgestellt werden konnte.

Das klingt alles nicht sonderlich religiös, vielleicht ist Ramin Y. auch gar nicht religiös. In jedem Fall setzte ist er seit 2021 flüchtig und setzte sich in den Iran ab, seinen Autohandel überschrieb er Babak J. Da es kein Auslieferungsabkommen zwischen dem Iran und Deutschland gibt, macht Ramin Y. aus seinem dortigen Aufenthalt auch keinen Hehl. Auf Fotos in sozialen Netzwerken ist er Kontraste zufolge zu sehen mit Hamed Asghari, einem Sicherheitsbeamten, der für hochrangige Vertreter des Regimes zuständig sein soll. Beispielsweise für Mohsen Fakhrizadeh, einem Kernphysiker, der als „Vater des Atomprogramms“ galt. Er leitete die Abteilung Forschung und technologische Entwicklung im iranischen Verteidigungsministerium und war Angehöriger der Revolutionsgarde, dem britischen Guardian zufolge im Rang eines Brigadegenerals.

2018 präsentierte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu streng geheime Dokumente zum iranischen Nuklear- und Raketenprogram, insgesamt 55.000 Seiten, die aus Safes in einem geheimen Archiv im Iran entwendet worden waren. Dabei nannte er auch den Namen Mohsen Fakhrizadeh. Am 27. November 2020 kam dieser bei einem Attentat ums Leben, Hamed Asghari wurde verletzt. Der damalige Außenminister Mohammed Dschawad Sarif bezichtigte den Mossad der Tat.

In derselben Nacht, in der Babak J. den Brandsatz auf das Schulgelände statt auf die Synagoge in Bochum warf, wurden Schüsse auf das ehemalige Rabbinerhaus in der alten Synagoge in Essen abgefeuert. Hintergründe dieser Tat sind indes nicht bekannt.

Chomeini und der Staat im Staat

Am 1. Februar 1979 kehrte Ayatollah Ruhollah Chomeini aus dem französischen Exil ins damalige monarchistische Persien zurück. Dieser Tag ist heute offizieller Feiertag. Am 5. Mai 1979 gründete er die Revolutionsgarden, die „Armee der Wächter der islamischen Revolution“, zusätzlich zur regulären Armee Artesch.  Die Revolutionsgarden verfügen über ein eigenes Heer, eigene Marine, Luftstreitkräfte sowie einen eigenen Geheimdienst. Die Revolutionsgarde dient nicht der Landesverteidigung, sondern ausschließlich der Sicherung der Macht der religiösen Führung – nach innen und nach außen. Bei der Einführung neuer Waffensysteme wird sie bevorzugt bedacht, wie beispielsweise bei den Kurz- und Mittelstreckenraketen, mit denen Ziele in Israel erreicht werden könnten.

Insgesamt verfügt der Iran über 523.000 aktive Militärangehörige (Stand 2021), davon gehören 190.000, also gut ein Drittel, zur Revolutionsgarde, davon wiederum 17-21.000 zu den Quds-Brigaden.

Eine der Elite-Einheiten der Revolutionsgarde ist die Quds-Brigade, die bis zu dessen Tod durch einen AUS-Drohnenangriff am 3. Januar 2020 von Quasem Suleimani kommandiert wurden. Die Quds-Brigade arbeitet international, sie arbeitet mit der libanesischen Hisbollah und der HAMAS zusammen, mit deren Anhängern im Ausland und mit Gruppierungen und Personen, die diese unterstützen.

Eine Hand wäscht die andere

Der Journalistin Natalie Amiri zufolge hat die Revolutionsgarde „de facto die größte Macht im Staate“, wie sie im Deutschlandfunk (DLF) erläuterte. Unterstützt werden diese laut Natalie Amiri von den Basidsch-Milizen, eine „als inoffizielle Hilfspolizei eingesetzte paramilitärische Miliz des Iran, der sich Freiwillige anschließen“. Diese erhielten viele Vergünstigungen durch den Staat, etwa vereinfachten Zugang zu Studienplätzen, Konzessionen für Geschäfte, Subventionen für Benzin oder Lebensmittel. "Und dafür müssen sie zuschlagen", zitiert der DLF Natalie Amiri, "das ist der Deal zwischen den Milizen und dem Machtsystem." Diese Beschreibung passt zu den Angaben des Iraners, den Babak J. für einen Anschlag auf die Synagoge in Dortmund gewinnen wollte.

Eine weitere solche aus Zivilpersonen bestehende Miliz ist die Sittenpolizei, die am 26. September 2022 die Kurdin Zhina Mahsa Amini festnahmen, weil sie gegen das Hijabgesetz verstoßen haben soll. Ihr Tod im Polizeigewahrsam führte zu massiven Protesten gegen das Regime in Teheran, dem sich auch Exil-Iraner auf der ganzen Welt anschlossen.  

Bislang scheiterte die Listung der Revolutionsgarden als Terrororganisation in der EU an konkreten Beweisen. Diese meint das Auswärtige Amt nun offenbar der Urteilsbegründung der Richter am Düsseldorfer OLG entnehmen zu können. Jedenfalls kündigte das Amt in sozialen Medien an, den iranischen Botschafter einbestellen und die Urteilsbegründung „unverzüglich mit unseren europäischen Partnern & den Institutionen“ teilen zu wollen.

 

 

 

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