Wie weiter mit dem IZH?

 

 Text und Foto: Birgit Gärtner

Für die Nutzung des im August 2024 geschlossenen IZH gibt es verschiedene Vorschläge, aber egal, ob weltliche oder religiöse Nutzung, eines ist unabdingbar: Nicht nur die Unabhängigkeit, sondern die ausdrückliche Abgrenzung von der religiösen Führung in Teheran.

Eine Razzia im November 2023 führte zu weiteren Razzien und dem Verbot des schiitischen „Islamischen Zentrums Hamburg“ (IZH) sowie diversen Teilorganisationen am 24. Juli 2024. Das IZH, bekannt als „Blaue Moschee“ an der Alster, ist Träger der dort integrierten Imam-Ali-Moschee. Das Gebäude wurde im Rahmen der Razzien am 24. August 2024 beschlagnahmt und steht seither unter der Aufsicht der Innenbehörde und somit auch als Gebetsort nicht mehr zur Verfügung. Den Sicherheitsbehörden galt das IZH als Außenposten des Terrorregimes der Mullahs im Iran.

Die schiitischen Gemeinden reagieren auf die Schließung mit öffentlichen Freitagsgebeten auf der Straße vor der Moschee. Den Vorwurf, als verlängerter Arm der Mullahs in Teheran zu fungieren, weisen sie dabei empört zurück und fordern nachdrücklich, „unsere Moschee“ zurückzubekommen. Doch die öffentlichen Freitagsgebete wirken weniger wie ein öffentliches Glaubensbekenntnis, bei dem der Schmerz um den Verlust der Gebetsstätte zum Ausdruck gebracht werden soll, sondern wie ein Treuegelöbnis zu eben jenen Mullahs im Iran, derentwegen das IZH geschlossen wurde.

Vorläufiger Höhepunkt dieser Inszenierungen war eine bundesweite Demo am 24. August in Berlin vor dem Bundeskanzleramt unter dem Motto „Der Bundesregierung die rote Karte zeigen“. Vor Beginn wurde an die Teilnehmer ein roter DIN-A-5-Zettel verteilt, bedruckt mit dem Bundesadler und der Aufschrift „Grundgesetzt Art. 4 GG“. Darin heißt es:

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

Dabei wird bewusst verschwiegen, dass nicht die „Freiheit des Glaubens“ und „des religiösen Bekenntnisses“ eingeschränkt wurden, sondern der Verbreitung der Terrorpropaganda des Mullah-Regimes Einhalt geboten werden soll.

Die Demonstration erinnerte stark an den in früheren Jahren stattfindenden Al-Quds-Marsch, nicht wenige Teilnehmer „schmückten“ sich mit der Kufiya, manch eine Teilnehmerin nutzte diese gar als Hidschāb. Alles in allem wirkte die Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt wie eine Machtdemonstration. Und als der Hauptredner seine Stimme laut erhob und an das Bundeskanzleramt die Worte „Wir sind die größte Minderheit in diesem Land!“ adressierte, klang das weniger wie ein Klageruf, sondern wie eine Drohung. 



Das IZH soll zum Jina-Mahsa-Amini-Zentrum werden - irgendwann

Neben der Kritik der schiitischen Verbände fand die Schließung des IZH indes auch viel Zuspruch, vor allem bei Exil-Iranerinnen und Iranern. Schnell wurde die Forderung laut, dort ein iranisches Kulturzentrum im Gedenken an Jina Mahsa Amini einzurichten. Die junge iranische Kurdin wurde in Teheran wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das staatliche Hidschāb-Gesetz von der iranischen Sittenpolizei festgenommen, geschlagen und dabei so schwer verletzt, dass sie wenige Tage nach ihrer Verhaftung, am 16. September 2022, ihren Verletzungen erlag. Ihr Tod löste eine im ganzen Land eine Welle der Empörung aus. Vor allem Frauen gingen auf die Straße, um gegen den Hidschāb-Zwang zu demonstrieren. Damit war die „Revolution der Frauen“ im Iran geboren. Der iranische Staat reagierte darauf mit brutaler Härte und ließ die Demonstrationen niederknüppeln. Hunderte Menschen wurden seitdem im Iran verhaftet, Dutzende hingerichtet oder starben ebenfalls in Folge schwerer Verletzungen, die ihnen von Sicherheitskräften bei den Protesten zugefügt wurden.

Inzwischen haben sich iranische Oppositionelle wie die Organisatorin der langjährigen Proteste gegen das IZH und Gründerin der „Kulturbrücke Hamburg“, Hourvash Pourkian, und der Vorsitzende der „Green Party of Iran“, Kazem Moussavi, darauf verständigt, dass das IZH solange geschlossen bleiben soll, bis die „Revolution der Frauen“ gelungen und die „Islamische Republik“ Geschichte ist.

Ein breites Bündnis iranischer Oppositioneller rief ebenfalls am 24. August 2024 zu einer Gegenkundgebung unter dem Motto „Das IZH muss geschlossen blieben!“ auf. Diese Kundgebung wurde u.a. auch von Seyran Ateş unterstützt, der Imanin der liberalen Moschee in Berlin.

Bei einer Diskussionsveranstaltung der Hamburger FDP am 26. August 2024 brachte deren Landesvorsitzende Sonja Jacobsen den Vorschlag ein, das IZH in eine Gedenkstätte für alle Opfer islamischen Terrors weltweit umzuwandeln. Nach Vorbild der Gedenkstätten für die Opfer des Hitler-Faschismus. Auch diese könne den Namen Jina-Mahsa-Amini-Zentrum tragen.

Die Politikerin bekräftigte zudem die Position ihrer Partei, dass nicht nur hinter die Fassaden des IZH geschaut, sondern die Staatsverträge mit den islamischen Verbänden grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt werden müssten. Schließlich seien auch die anderen Verbände problematisch. Die „Islamische Gemeinschaft Millî Görüş“ (IGMG), die die SCHURA, den Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg, dominiert ebenso wie DITIB als verlängerter Arm der Religionsbehörde der Türkei, die direkt Präsident Recep Tayyip Erdoǧan untersteht.

Bei dieser Veranstaltung meldete sich ein junger Mann zu Wort, wie er sagte der erste in Deutschland ausgebildete schiitische Imam. Ihm schwebt weniger eine weltliche Nutzung des Gebäudes vor, sondern er möchte es als liberale schiitische Moschee nutzen, nicht nur unabhängig von der religiösen Führung in Teheran, sondern ausdrücklich in Abgrenzung davon.

Heißer Draht zwischen IZH und Teheran

Der SPIEGEL berichtete, bei der Razzia im November 2023 seien „Unterlagen und Datenträger sichergestellt“ und in monatelanger mühseliger Kleinarbeit ausgewertet worden, deren Ergebnisse schließlich ausschlaggebend für die Verbotsverfügung gewesen seien. Dem SPIEGEL-Bericht zufolge gab es enge „Verbindungen des IZH zum iranischen Regime“ und weitreichende „Drähte zur mit Teheran verbündeten Terrororganisation Hisbollah“.

Der SPIEGEL berichtete:

„Demnach unterhielt der Leiter des IZH, Mohammad Mofatteh, ständigen Kontakt zur Machtzentrale der Mullahs, dem ´Revolutionsbüro` von Ajatollah Ali Khamenei, auch bekannt als ´Büro des Obersten Führers`.

Den Ermittlern fielen WhatsApp-Chats zwischen Mofatteh und Mehdi Mostafavi in die Hände, dem Vizechef für internationale Angelegenheiten des Revolutionsbüros. Von Ende 2021 bis Ende 2023 tauschten die beiden mehr als 650 Nachrichten aus.“

In den Chats habe Mehdi Mostafavi dem IZH-Leiter kleinteilige Anweisungen gegeben: „Mal ging es um ´Botschaften Khameneis für deutschsprachige Pilger 2023`, mal um ´Schwerpunkte der Aktivitäten 2024`. Mal schickte der Vertreter des Teheraner Regimes dem IZH-Leiter antiisraelische Propaganda nach Hamburg.“

Wenige Tage nach dem Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober  mit rund 1.200 Toten habe Mohammad Mofatteh vom Revolutionsbüro in Teheran Empfehlungen erhalten, wie das Geschehen einzuordnen sei: Der „Islamische Widerstand“ habe „kein anderes Mittel“ gehabt, um „die Verbrechen“ Israels zu stoppen, habe es darin geheißen. Durch den „Mut der palästinensischen Jugend“ werde „das zionistische Regime danach nicht mehr dasselbe sein“. Nur mit einem „langen Krieg auf allen Ebenen des Kampfplatzes“, sowohl politisch als auch militärisch, seien „die Endziele zu erreichen“.

Dazu passt die durch das Tragen der Kufiya demonstrierte Identifikation der Teilnehmer mit dem „islamischen Widerstand“ der „palästinensischen Jugend“ bei der Demo am 24. August 2024 in Berlin.

Dem Hamburger Wochenmagazin zufolge „fanden die Ermittler zudem Dokumente, die Verbindungen des IZH zur Hisbollah belegen sollen“:

Ein für „Außenbeziehungen“ zuständiger Scheich der Terrororganisation im Libanon habe Berichte über seine Reisen durch Deutschland verfasst. Den Dokumenten sei zu entnehmen, dass seine Reisen besagten Hisbollah-Mann wohl mehrfach an die Außenalster führten. Laut einem der Berichte, auf die der Artikel im SPIEGEL sich bezieht, überbrachte der Scheich dem damaligen IZH-Leiter im Jahr 2016 „Dank und Wertschätzung“ für die „finanzielle, moralische und beratende Unterstützung“. Zwei Jahre später habe er notiert: „Teilnahme an regelmäßigen Treffen des Imam-Ali-Zentrums“. Auf den Handys des aktuellen IZH-Leiters Mofatteh sowie weiterer Funktionäre sei die Telefonnummer des Hisbollah-Scheichs gespeichert gewesen.

Das alles klingt wenig spirituell, sondern nach handfesten Beweisen für den ganz heißen Draht zwischen Hamburg und Teheran.

Beliebte Posts