Künstliche Intelligenz – Fortschritt und das Ende von Emanzipation und Selbstbestimmung
Text Juliane Beer
Im Anbau des Berliner Technikmuseums ist die Ausstellung
Mission KI - Nationale Initiative für künstliche Intelligenz und Datenökonomie
zu sehen, ein Regierungsprojekt (Bundesministerium für Digitales und Verkehr), das von Bundesdigitalminister Dr. Volker Wissing eröffnet wurde.
Ich beginne mit ein paar Sätzen aus Wissings Eröffnungsrede:
Zitat: „Wir schaffen einen Ort, an dem Bürgerinnen und Bürger erfahren können, wie KI ihr Leben verbessert. Das Vertrauen in disruptive Technologien steht dabei im Mittelpunkt. Wir brauchen in unserer Gesellschaft und Wirtschaft ein positives, innovationsoffenes Mindset für neue Technologien. Ohne KI werden wir in Zukunft nicht wettbewerbsfähig sein. Wir müssen sie breit anwenden - in der Medizin, in der Verwaltung, in der Logistik, in allen Bereichen der Wirtschaft. Diese Ausstellung soll dazu beitragen, Vorbehalte abzubauen und die Menschen ganz praktisch von den Vorteilen der KI zu überzeugen. Nach Kaiserslautern setzen wir nun in Berlin ein starkes Zeichen für die Entwicklung vertrauenswürdiger KI ‚Made in Germany‘ […]" Zitat Ende
Der Eintritt zur Ausstellung Mission KI ist frei, es werden zudem Führungen und Veranstaltungen für Schulklassen angeboten, außerdem die Möglichkeit, KI-Anwendungen wie Gesichtserkennung, medizinische Analysen, Sprachassistenten und Spielereien mit einer Mixed Reality-Brille kennenzulernen.
Bebilderte Tafeln informieren über die Grundlage “vertrauenswürdiger KI“. Was auch immer hier mit vertrauenswürdig gemeint sein mag - KI an sich ist weder vertrauenswürdig noch nicht vertrauenswürdig, sondern verhält sich je nach (Gesinnungs)Training, kann also nur innerhalb solcher Datenräume agieren, in denen trainiert wurde. Die Tendenzen der Datensätze sind nach Training demnach die Tendenzen der KI. Das wäre gerade für Kinder, für die der Umgang mit KI im Studium oder in der Ausbildung in einigen Jahren vermutlich selbstverständlich sein wird, wichtig, so früh wie möglich zu verstehen. Ich möchte hier kurz anmerken, dass ich die Bezeichnung Künstliche Intelligenz deshalb irreführend finde. Diese Intelligenz ist eben nicht künstlich, also z.B. von einem anderen Planeten importiert, vielmehr handelt es sich um unsere Intelligenz, aus der die KI lernt, weil kombiniert.
Die Infotafeln in der Ausstellung Mission KI halten sich, was Tendenzen im Training angeht, allerdings bedeckt. Dafür informieren sie ausgiebig über technische Funktionsweise, aktuelle ethische Standards und Qualitätssicherung. Dass ethische Standards und Qualitätssicherung von der Politik - und das ohne Parlament und Pipapo - außer Kraft gesetzt werden können haben wir erst kürzlich, 2020 bis 2023, am eigenen Leibe erfahren, Kinder und Jugendliche ganz besonders. Was KI, die von einer selbst ermächtigten Politik trainiert wird, im Falle einer Pandemie anrichten könnte habe ich weiter unten ausgeführt.
Nur Vorteile, die es sicherlich gibt
Bei Mission KI werden lediglich die positiven Aspekte von KI demonstriert und erläutert, Vorteile, die es selbstverständlich gibt. Zweifellos möchte man mit der Ausstellung das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen, wie auch Minister Wissing in seiner Eröffnungsrede einräumte. Ob man das Vertrauen einer breiten Mehrheit gewinnt, indem man Risiken unterschlägt, ist die Frage. In Sachen Corona-Maßnahmen hat es einst geklappt, was Aufrüstung angeht klappt es aktuell schon nicht mehr so gut, gar nicht mehr klappt eine Verzicht-Predigt ans Volk, gehalten von denen, die nicht im Traum auf die Idee kämen, auf Komfort zu verzichten.
Wirkliches Vertrauen jedenfalls gewinnt man, indem man Risiken benennt und mögliche Lösungen vorstellt bzw. die Bevölkerung ermuntert, sich mit eigenen Lösungsvorschlägen einzubringen.
KI könnte Leben retten
In der Ausstellung Mission KI sind Medizin und Straßenverkehr zwei Bereiche, in denen man am Monitor gegen KI antreten kann. Hier siegt KI überzeugend.
KI erkennt auch noch solche Personen am Straßenrand, die dem menschlichen Auge als Schatten oder Mauerwerk erscheinen. Die Gefahren einer schrankenlosen Überwachung liegen natürlich auf der Hand.
Ähnlich perfekt zeigt sich KI bei der Auswertung von Röntgen- und MRT-Bildern oder Bildern (bösartiger) Muttermale. Natürlich hat ärztliches Personal einen geübteren Blick als Ausstellungspublikum, ergänzende Erklärungen, was dem menschlichen Auge entgehen könnte, überzeugen jedoch.
Aktuell
An der Supermarktkasse, im Bereich autonomes Fahren, in der Reinigung und im Callcenter ist KI längst eingezogen.
Auch im Pflegebereich, da, wo noch vor ein paar Jahren behauptet wurde, menschliche Arbeitskraft - im wahrsten Sinne des Wortes - sei unverzichtbar, sind inzwischen immer häufiger Roboter in der Erprobung, in Japan z.B. bereits im Einsatz.
Da es sich bei den o.g. Beispielen um Arbeitsbereiche handelt, die sowohl anstrengend als auch schlecht bezahlt sind, zähle ich die Ablöse durch Roboter zu den Vorteilen, auch wenn sozialistische Kreise der Menschheit über Jahrhunderte einredeten, den guten Arbeiter erkenne man daran, unangenehme Betätigungen mit Stolz zu verrichten und seinen Lebenssinn darin zu finden plus ähnlichem Unfug, der dem Kapital schon immer perfekt in die Hände spielte.
Die Frage „Wohin mit all den Menschen, die, sobald KI übernimmt, erwerbslos werden, weil zu anderen Aufgaben aus welchen Gründen auch immer nicht zu gebrauchen“
darf man getrost als Zynismus werten. Wir haben uns offenbar daran gewöhnt, dass es diejenigen gibt, die zu nichts anderem als zur Ausbeutung freigegeben sind. Gehören Menschen hingegen zu den Glücklichen, die lediglich nach Neigung oder auch gar nicht arbeiten, weil Lottogewinn, weil Erbschaft, o.ä., käme vermutlich niemand auf die Idee, zu fragen, was man denn mit ihnen anfangen sollte, wenn Roboter demnächst öffentliche Toiletten putzen. Was nicht heißen soll, dass es keine wohlhabenden Menschen gibt, die hart arbeiten. Natürlich gibt es die. Und sie können jeden Moment ohne Existenzangst mit der harten Arbeit aufhören.
Die Frage, was wir mit Menschen machen, die uns nicht mehr den Dreck wegputzen müssen, ist also beantwortet. Wir machen mit ihnen das, was in wohlhabenden Familien üblich ist: Wir ermuntern sie, ihre Neigungen zu entdecken und sich zum eigenen Vergnügen und/oder bestenfalls zum Wohle der Gesellschaft zu betätigen.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch Jobs in Verwaltung, Organisation oder mittlerem Management von KI übernommen werden kann. In welchem Umfang, wird sich zeigen. Aktuell wird davon ausgegangen, dass innerhalb der nächsten 5 Jahre laut dem World Economic Forum 92 Millionen Jobs wegen KI und Automatisierung nicht mehr von Menschen erledigt werden müssen. Es handelt sich bei dieser Voraussage um eine Computermodulation.
Fazit: Wenn Roboter und KI sogenannte Bullshit-Jobs übernehmen könnten wir uns alle mit den schönen Dingen des Leben beschäftigen. Der einzige “Nachteil“: Niemand wäre mehr erpressbar. Die unangenehme Arbeit, die KI tatsächlich (noch) nicht hinkriegt könnte man gerecht unter allen aufteilen, denn wenn ein großer Teil der täglichen Arbeit von KI erledigt wird brauchen wir natürlich auch ein völlig neues Geldsystem. Roboter zahlen keine Steuern und konsumieren außer Strom und ein paar Ersatzteilen nichts.
Eine Welt mit KI – tatsächliche Nachteile
Neben Deepfakes, die aktuell in vielen Fällen (noch) als solche erkennbar sind, ist eine aktuelle Auswirkung - wenn man so will ein Nachteil von KI - vermutlich schon allen, die Suchmaschinen nutzen, aufgefallen. Suchmaschinen zeigten bislang Seiten von z.B. Medien und Firmen an, die bei der Recherche hilfreich sein könnten bzw. benötigte Waren anbieten.
Damit ist es vorbei. KI fasst jetzt auf der begehrten ersten Seite an begehrter erster Stell zusammen, was in Bezug auf den Suchbegriff relevant ist. Man erspart sich dadurch Scrollen und Klicken, Firmen und Verlage, die auf die Präsentation ihrer Angebote über Suchbegriffe angewiesen sind gehen leer aus. Wird hier nicht gegengesteuert könnte sich das Internet in den nächsten Jahren wandeln, beispielsweise weg von einer Werbeplattform hin zu einem Informationsmedium mit Tendenz. Ich gehe davon aus, dass in Unternehmen und Konzernen längst über Lösungen nachgedacht wird.
KI, Roboter, Robocobs
In Philip K. Dicks sowohl visionärem als auch meisterhaftem Roman
Träumen Androiden von elektrischen Schafen ( Titel der Neuübersetzung Blade Runner),
geschrieben 1968, wird ein zukünftiger Krieg zwischen Menschen und Androiden beschrieben. Androiden sind inzwischen intelligenter und agiler als die durch einen Atomkrieg geschwächte Menschheit, außerdem so perfekt konstruiert, dass man extra hierfür konzipierte Tests braucht um Mensch und Maschine, der einzig die Empathie fehlt, zu unterscheiden. Die Androiden haben so etwas wie Bewusstsein entwickelt und “denken“ in einigen Fällen sogar, sie seien Menschen. Sie kämpfen um ihr Überleben, auch wenn das bedeutet, Menschen zu töten. Im Roman kommt es zu albtraumhaften Szenen auf Polizeirevieren, wo Verhafteter, Polizist und Androidenjäger sich gegenseitig belauern und verhören, ob sie Mensch oder Maschine sind.
Anmerkung: Diverse Hollywood-Blade Runner-Verfilmungen werden der Romanvorlage in keiner Weise gerecht und sind deshalb nicht empfehlenswert, wenn man das Thema vertiefen möchte.
Inspiriert vom Roman möchte ich mit zwei fiktionalen Beispielen für die Gefahren der KI aufwarten. Ähnlichkeiten mit realen Vorkommnissen sind rein zufällig.
Nehmen wir an, in einem Land im Nahen Osten werden Frauen, die sich nicht an die Kleiderordnung, z.B. das Bedecken des Haars in der Öffentlichkeit, halten, verhaftet.
Stellen wir uns weiterhin vor, eine dieser Frauen zeigt sich auf dem Polizeirevier nicht einsichtig, wird daraufhin von Beamten misshandelt und stirbt kurz darauf an ihren Verletzungen.
Ich will die Sozialisierung zum Frauenhass, die je nach Kultur, Religion und Land unterschiedlich ausfällt, nicht unterschätzen, stelle aber die Behauptung auf, dass nicht jeder Polizeibeamte ungetrübte Freude beim Umbringen einer Frau empfindet. Wie einfach hätte man es hier mit sogenannten RoboCobs. Programmieren, dass unverschleierte Frauen von der Straße zu fangen und falls sie sich nicht einsichtig zeigen, zu töten sind, fertig. Ich gehe davon aus, jede Frau und sei sie noch so couragiert, wüsste, wie es für sie endete, würde sie sich mit einem zentnerschweren Metallmonster anlegen.
Noch effektiver wäre es, Frauen gleich bei der Geburt einen Gehirnchip zu implantieren. Die entsprechenden Anweisungen müssten dann lediglich von einem Zentralcomputer gesendet werden.
Wie RoboSoldaten gegen eine aufständische Bevölkerung vorgehen würden lässt sich aus diesem Beispiel herleiten.
Zweites Beispiel: Zurück in den Westen.
Nehmen wir an, man forscht hier an einem neuen Wirkstoffprinzip, testet dies an Labortieren, diese sterben nach einer gewissen Zeit, weshalb die Genehmigung, an menschlichen Probanden zu testen, nicht erteilt wird.
Nehmen wir weiterhin an, einige Jahre später entweicht aus einem Labor für Biowaffenforschung ein Virus und verbreitet sich über den Erdball, was man zum Anlass nimmt, doch noch eine Genehmigung für das neue Wirkstoffprinzip, das man jetzt als Impfung ausgibt, zu ergattern und zwar nicht nur für freiwillige Probanden, sondern für die Bevölkerung so gut wie aller Staaten. Ohne RoboCops würde es vermutlich nicht gelingen, die Weltbevölkerung mit dem neuartigen Präparat zu behandeln. Abgesehen davon, dass die personalen Kapazitäten fehlten, Versuchsunwillige sämtlich aufzuspüren, müsste immer damit gerechnet werden, dass bei Polizei, Feuerwehr und im Gesundheitswesen ebenfalls kritische Geister mit Versuchsunwilligen kooperierten. Es bliebe also ungewollt eine Kontrollgruppe übrig. Je nachdem, wie die Behandelten sich entwickeln, könnte eine Kontrollgruppe lediglich durch ihre unversehrte Existenz die Verantwortlichen noch nach Jahren oder auch Jahrzehnten in große Schwierigkeiten bringen.
RoboCops oder auch RoboDocs wären hier eine sichere Methode, aber auch niemanden entkommen zu lassen. Allein die Pflicht, einen für KI auch aus größerer Entfernung erkennbaren QR-Code bei sich zu tragen, würde jeden Widerstand unmöglich machen. Gar nicht davon zu sprechen, dass kein programmierter Roboter einen Abtrünnigen aus welchen Gründen auch immer laufen lassen oder ihm gar helfen würde, wozu jeder menschliche Aufseher jederzeit in der Lage wäre.
Im Roman Blade Runner heißt es dazu:
[…] Er sagte heiter: „Wenn er ein Android wäre, würde er uns spätestens morgen früh um zehn anzeigen. Danach würde er zur Arbeit gehen und das wäre es dann gewesen[...]
An diesen beiden Beispielen zeigt sich, wie gefährlich es werden kann, wenn KI in die Hände undemokratischer Systeme gerät. Es würden Diktaturen entstehen, unentrinnbar, wie wir sie bislang nur aus Sci-Fi-Romanen kennen.
Dennoch wird die KI Entwicklung fortschreiten und vermutlich zum größten Umbruch in der Geschichte der Menschheit führen. Dieser Text beleuchtet natürlich lediglich ein Minimum an Nutzen und Gefahren aus Sicht einer Laiin. Wovon man aber wahrscheinlich ausgehen darf ist, dass selbst Fachleute auf diesem Gebiet das wahre Ausmaß an Nutzen und Gefahren noch nicht überblicken können.
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https://technikmuseum.berlin/ausstellungen/sonderausstellungen/zu-gast-bei-uns-mission-ki/
https://www.ingenieur.de/karriere/arbeitsleben/ki-in-der-arbeitswelt-zwischen-chancen-und-angst/
https://www.fischerverlage.de/buch/philip-k-dick-blade-runner-9783596297702
https://www.welt.de/wirtschaft/article256294604/Neura-Robotics-Dieser-Roboter-ist-die-deutsche-Antwort-auf-Elon-Musks-grosse-Hoffnung.html?source=puerto-reco-2_ABC-V46.0.C_current
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