Hier könnte ein Nazi hängen


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Text Juliane Beer



Schizophrenie ist laut wissenschaftlicher Erkenntnis nicht infektiös. Wüsste man dies nicht könnte man meinen, es grassiere wiederholt eine Wahn-Seuche im Land.

Als wären es fremde Mächte gewesen, die einst gemordet und gefoltert und geplündert hatten, feiert die /der geradlinige Deutsche dieser Tage so ausgelassen wie zum letzten Mal Anfang der 1990er Jahre seine großherzige Allmacht.
Damals unter Zuhilfenahme einer US-Tränendrüsen-Schmonzette um einen Oskar Schindler als einen von ihnen. Als den Prototyp des aufrechten Deutschen, Retter aller jüdischen Menschen. Monatelang durfte landauf landab kaum ein Gesprächsthema stattfinden, das sich nicht mit „dem Film“ befasste, und die wackersten KinogängerInnen bekannten, am Ende des Films, da ein nichtjüdischer Herr Schindler die Juden (fortan „Schindlerjuden“ genannt) neu erschuf, damit sie sich in Israel mehrten, „Rotz und Wasser" geheult zu haben. So ein Schöpfer kann doch nur Deutscher sein.

Die staunenden Kinder von damals, auf Staatskosten schulklassenweise ins Kino gekarrt, weil man es ihnen nach PädagogInnen-Meinung zumuten konnte, sind in die Jahre gekommen.

Sind jetzt angetreten, um die Shoa zum endgültigen Kunstwerk zu erheben. Ein Mahnmal im Zentrum von Berlin, wo Menschen „gern hingehen und sich erinnern“ (sollen) reicht nicht mehr aus. Es wird einem Zeitgeist nicht mehr gerecht, der die Rettung des Weltklimas, die Rettung der gesamten Spezies Mensch zum Rock´n ´Roll einer ganzen Generation erklärt hat, wo man die Gruppe der Lieblings-zu-Rettenden wählen darf, wie einst die Schallplatte, wo es eine Rettungs-Hitparade gibt, deren oberen Plätze der Jude hält, damit Rettungswillige, je nach Mentalität und Mut, entweder ihr nicht-jüdisch-sein aber gleichzeitige Solidarität jovial und noch vor der Begrüßung dem Gegenüber entgegen kotzen können oder gleich selbst Jude sein dürfen, nämlich um ein Zeichen zu setzen.
Und um so mehr die Gewalt der Unredlichen gegen das zu rettende Subjekt zunimmt, umso mehr Ratlosigkeit zur Großtat angetretene Deutsche anfliegt, umso mehr klammert man sich schwitzend vor Anstrengung das Erhabene zu erschaffen, an die Shoa, um das Werk der Großväter zu veredeln. Das endgültige Monument muss her, dazu Merchandising-Artikel, um die die Leute sich reißen sollen, von denen sie nicht genug kriegen können; das, was verschleppte Jüdinnen und Juden einst zurücklassen mussten, würde heutzutage nicht mehr reichen, heute muss es ganz Jude sein, gegossen in Plastik für die Ewigkeit.

Wer sich in den letzten Wochen mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit, Entsetzen und Ekel fragte, wie es sein kann, dass eine Selbsthilfegruppe gestörter Täter-Enkel eine Stele mit der vermeintlichen Asche von Opfern ihrer Großväter im Zentrum der deutschen Hauptstadt errichten dürfen(!), die/der hat das deutsche Sentiment noch immer nicht begriffen, hat nicht kapiert, dass die/der Deutsche sich des Besitzanspruchs an der Shoa sicher ist, denn Großeltern und Eltern haben sie gleichzeitig ins Leben gerufen, Widerstand dagegen geleistet [sic!] und „vernünftig nach deutscher Art“ zwischen Tat und Widerstand abgewogen. Und die Enkel erbten das alleinige Verwertungsrecht. Dazu die Deutungshoheit, die es erlaubt, den Massenmord der Großväter zur „lieblosen Behandlung“ zu deklarierten, die zu korrigieren man jetzt angetreten ist, sich nach einem Aufschrei aus der jüdischen Community zwar um der Form willen in Form einer Verteidigungsrede entschuldigt, aber keinen Tag später seine Helferlein in soziale Netzwerke ausschwärmen lässt, damit diese Franchising Fan-Seiten erstellen, auf denen man bei der versöhnungswilligen und -wütigen Nazi-Enkel-Community um Verständnis für die Verwertung ermordeter Jüdinnen und Juden zum Zweck der Heilwerdung deutscher Politik wirbt, KritikerInnen mit dem Hinweis, man sei „selbst Jude“ zum Schweigen bringt oder sie gleich als undankbare Juden beschimpft. Weshalb keine Woche später das Shoa-“Kunstwerk“ in einer Nacht und Nebel- Aktion endgültig in Berliner Erde betoniert wird.

Und wenn sich einige KritikerInnen fragen, warum das „Mahnmal“ eigentlich keine Asche der Täter enthält, warum die Enkel nicht die Überreste ihrer Mörder-Opas aus der Erde buddelten, so haben sie offenbar noch immer nicht begriffen, dass die Urheber des Werkes Shoa den Enkeln heilig sind, in ihrem Erfindergeist unantastbar bleiben, das Werk lediglich zeitgemäß verbesserungsbedürftig ist und allein der nichtjüdische Deutsche autorisiert ist, für die Form zu sorgen, und darüber zu befinden, welche Maßnahmen sich eignen und welche nicht.

„Hier könnte ein Nazi hängen“ ( DIE PARTEI)
Ja. Könnte.

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