Opfer sexueller gewalt haben keine Credibility

In erster Linie scheitern Vergewaltigungsanzeigen daran, dass den betroffenen Frauen nicht geglaubt wird – weil sie sich in ihren Aussagen in Widersprüche verstrickten 
Interessant, dass eine angeblich - oder vielleicht auch tatsächlich - erfundene Vergewaltigung mehr Aufsehen erregt in der Timeline meines Facebook-Profils, als 147 von ihren Partnern ermordete Frauen im Jahr 2017. In Hamburg sind im laufenden Jahr übrigens schon so viele Frauen den ihnen von ihren Partnern zugefügten Verletzungen erlegen wie 2016 und 2017 zusammen! 
Zum Fall:
Vor Wochen machte sorgte eine 14jährige in Hamburg für Schlagzeilen, die einen Asylsuchenden wegen Vergewaltigung angezeigt hatte. Ihrer Erzählung nach hatte er sich am frühen Morgen, bevor die Läden öffnen, in der Haupteinkaufsstraße in einen Hintereingang eines Elektromarktes gedrängt und dort vergewaltigt. Sie habe sich dann in die U-Bahn retten können, er sei ihr aber gefolgt. Viele Stationen später stieg sie aus, er folgte ihr erneut. Sie ging – wenn ich es recht erinnere – in eine Tankstelle und bat dort um Hilfe. Die Polizei wurde gerufen, der junge Mann, stark alkoholisiert, festgenommen. 
Der Fall wurde heftig diskutiert, weil der Tatverdächtige Asylsuchender ist. Vor allem aus rechten Kreisen folgten die üblichen „alle raus“ und „Grenzen dicht“ Forderungen. Die rechte Szene war in ihrem Element und sprühte Schaum vorm Mund. 
Von links kamen die üblichen Beschwichtigungen und Relativierungen, die „Instrumentalisierung durch die Rechten“ war das größere Problem als die angezeigte Vergewaltigung, geschweige denn Sorge um das junge Opfer. 
Einige Wochen später hieß es, die Vergewaltigung sei möglicherweise erfunden, das Mädchen habe sich bei ihren Aussagen in Widersprüche verstrickt. 
Das wurde in meiner Timeline rauf und runter gepostet. Nun war die antirassistische Szene in ihrem Element:
Seht her, nichts ist dran an den Vorwürfen gegen Asylsuchende, vor allem mit muslimischem Hintergrund, wegen (sexueller) Gewalt. Alles erstunken und erlogen.
Die Empörungsmaschinerie läuft von beiden Seiten in solchen Fällen gleichermaßen. Nur dass die eine Seite sich moralisch überlegen fühlt, Stichwort #wirsindmehr, was so viel heißen soll wie: Wir sind im Recht. Die neue selbsternannte moralische Supermacht (der Begriff ist geklaut), die ganz große Koalition von der autonomen Antifa über NGOs, Anti-Dies- und Anti-Das-Innitiativen, bürgerlichen Parteien, MinisterInnenn bis hin zur Bundeskanzlerin und zum Bundespräsidenten.
Um die Opfer geht es weder den einen, noch den anderen. 
Nun kam die Nachricht, dass die Ermittlungen gegen den jungen Mann eingestellt worden seien. Eine Vergewaltigung habe es nicht gegeben. Die Aussage des Mädchens sei nicht glaubhaft. 
Die antirassistische Szene feiert und feiert und kommen aus dem Feiern gar nicht mehr raus. 
Doch, hat es diese Vergewaltigung tatsächlich nicht gegeben? 
Dem Mädchen wurde nicht geglaubt. Das ist aber etwas ganz anderes als „sie hat die Vergewaltigung erfunden“. Ihr wurde nicht geglaubt, weil ihre Aussage widersprüchlich war. Das ist das Argument, an dem die meisten Vergewaltigungsanzeigen scheitern. 
Wer solchen Unsinn in die Welt hinaus posaunt, hat nicht den Hauch einer Ahnung von Gewalt und deren Opfern. Nicht den Hauch einer Ahnung von dem Stress, dem diese bei polizeilichen Befragungen ausgesetzt sind. Ein 14jähriges Mädchen noch dazu. Möglicherweise hat sie die Vergewaltigung tatsächlich erfunden. Möglicherweise hat sie schlicht dreist gelogen. Möglicherweise sogar aus niederen Beweggründen: Weil er Ausländer ist.
Ich war nicht dabei und ich möchte mir kein Urteil anmaßen. Aber ich habe reichlich Erfahrung mit Gewaltopfern, insbesondere Opfern sexueller Gewalt und den Umgang mit ihnen.
Möglicherweise empfand sie eine Handlung als Vergewaltigung, die dem juristisch nicht entspricht. 
Möglicherweise stand sie aber schlicht so unter Stress, dass sie sich widersprach. 
Fakt aber sind ein 14 jähriges Mädchen und ein stark alkoholisierter junger Mann, der sie offenbar in die U-Bahn und an der Haltestelle, an der sie ausstieg, hinaus verfolgte. 
Das ist nicht Nichts, sondern Alltag für Frauen und Mädchen.
Das Mädchen sei aus Ahrensburg (Schleswig-Holstein) und schon häufiger von zuhause weggelaufen, wusste die MOPO (Hamburger Morgenpost)zu berichten. 
Eine kleine Ausreißerin, wer soll die schon vergewaltigen? 
Vor allem: Wer soll ihr glauben?
Mädchen werden als „verlogene Schlampe“ abgestempelt
Genau das ist das Problem, generell, dass Frauen und Mädchen nicht geglaubt wird, sondern erst einmal die „Unschuldsvermutung“ geltend gemacht wird, damit die Frau per se als Lügnerin gilt, bis das Gegenteil bewiesen wurde, die Betroffenen quälenden Befragungen ausgesetzt werden, vor Gericht in Gegenwart ihre Peinigers, so lange und unter Bedingungen, denen kein normaler Mensch Stand halten kann. 
Und ich erinnere: Wir reden hier über ein 14jähriges Mädchen. 
Nochmals: Das heißt nicht zwingend, dass es diese Vergewaltigung gab, aber es heißt, dass die Anzeige abgelehnt wurde, weil ihr nicht geglaubt wurde, nicht weil die Unschuld des Bezichtigten erwiesen wurde. 
Möglicherweise hat sie auch angegeben vergewaltigt worden zu sein, weil sie dachte, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass ihr jemand hilft. 
Denn egal, was vorgefallen ist: Es bleibt die Tatsache, dass der stark alkoholisierte junge Mann ihr offenbar mindestens gefolgt ist, als sie aus der U-Bahn ausstieg. 
Da möchte ich an den Fall der 14jährigen Lisa aus Berlin erinnern, die bis heute als „verlogene Russenschlampe“ gilt. Auch Lisa hatte angegeben, vergewaltigt worden zu sein. Zwei Männer, ihrer Beschreibung nach Asylsuchende, hätten sie mehr als 30 Stunden festgehalten und mehrfach vergewaltigt. Der Fall sorgte für Aufsehen, die russische Gemeinde machte bundeweit gegen Geflüchtete mobil, es gab internationale Verwicklungen, weil die russische Regierung ihre Empörung kund tat, dass deutsche Behörden „unsere Mädchen“ nicht vor Vergewaltigung durch Geflüchtete schützen könne. 
Das wiederum führte zu den mittlerweile sattsam bekannten Demos „gegen Rechts“.
Schließlich stellte sich heraus, dass diese Geschichte nicht stimmte. Lisa war von zuhause weggelaufen und hatte sich bei einem erwachsenen Freund versteckt, der aufgrund intensiver polizeilichen Ermittlungen von jedem Verdacht befreit wurde, sexuellen Kontakt mit dem Mädchen gehabt zu haben. 
Der Fall schien klar, das Mädchen hat gelogen. Die antirassistische Szene feierte und feierte und kam aus dem Feiern gar nicht mehr heraus. 
Dann aber, was kaum noch jemand zur Kenntnis nahm, weil das eigene Weltbild bereits bestätigt wurde, und die Bereitschaft – oder die Fähigkeit – zu differenziertem Denken und differenzierter Wahrnehmung abhanden gekommen ist: Zwei junge Männer mit türkischen Wurzeln wurden festgenommen, weil sie – mensch höre und staune – das Mädchen mehr als 30 Stunden festgehalten und Sex mit ihr gehabt haben sollen. Die Herkunft der beiden erklärt die Täterbeschreibung, die Lisa als erstes bei der Polizei abgegeben hat, und aus der dann abgeleitet wurde, sie sei von zwei Asylsuchenden malträtiert worden. 
Am Tag der Festnahme der beiden hörte ich zwei Berliner LKA-Beamte, beide 50+, und zwar nachdem die beiden Männer in U-Haft genommen worden waren, unabhängig voneinander in Mikrofone zunächst des ZDF, dann der ARD, sagen, die beiden Männer hätten „einvernehmlichen Sex“ mit Lisa gehabt. 
Damit war ihr Schicksal besiegelt, bis heute gilt sie als „verlogene Russenschlampe“. 
Die Berliner Justiz hat den Deckel in dieser Sache für die Öffentlichkeit zugeklappt – wegen des Alters des Mädchens. Über den weiteren Hergang gibt es keine Informationen. Weder, ob es zu einer Anklage kam, ob die Männer verurteilt – oder vielleicht freigesprochen wurden. Fakt aber ist, gegen die Mutter von Lisa, die Anzeige wegen Vergewaltigung ihrer Tochter erstattet hatte, ist nie Anzeige wegen Falschbeschuldigung erstattet worden. Was dafür spricht, dass die Vorwürfe sich erhärtet haben. 
„Die verlogene Russenschlampe“, die „wollte doch nur mal ordentlich vögeln“ und „hat dann Schiss gekriegt“ und „es den Männern in die Schuhe geschoben“. Alles Zuschreibungen, die ich in linken (!!!) Kommentarspalten gelesen habe – und zwar nachdem die beiden Männer in U-Haft genommen wurden. Bis heute ist das die Wahrnehmung dieses Vorfalls, vor allem in der Linken. 
Mädchen aus der Unterschicht wird kein Glauben geschenkt
Auch den Mädchen im britischen Rothenham wurde lange Zeit nicht geglaubt. Sie alle, die jungen Britinnen, die Holsteinerin und Lisa haben drei Dinge gemeinsam: Sie sind weiblich, sie gehören der Unterschicht an, sie haben weder Credibility, noch eine Lobby – und obendrein haben sie die „falschen“ Männer der Vergewaltigung bezichtigt, nämlich Männer mit migrantischem/muslimischem Hintergrund. Und die genießen den Schutz der breiten Öffentlichkeit und der Medien. Egal, wie viele Frauen und Mädchen von Männern aus tief patriarchal strukturierten Gesellschaften, häufig religiös determiniert, belästigt, begrapscht, genötigt, vergewaltigt und ermordet werden. Nach dem Motto, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. 
Wagt es eine Betroffene, den ethnischen, kulturellen und/oder religiösen Hintergrund ihres Peinigers beim Namen zu nennen, dann muss sie damit rechnen, dass sie öffentlich an den Pranger und medial (ein zweites Mal) hingerichtet zu werden. 
Laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) „Partnerschaftsgewalt" 2017 fanden für den darin ausgewiesenen Zeitraum 2016 ein Drittel aller Delikte bei nicht-deutschen Paaren statt. Die kürzlich vorgestellte für das Jahr 2017 bestätigt das. Was die taz nicht davon abhält zu titeln, Frauen würden von ihren deutschen Männern misshandelt. Ja, das werden sie auch. Darüber reden wir seit mindestens 4 Jahrzehnten. Und jetzt reden wir darüber, dass immer mehr Männer in dieses Land kommen, die aufgrund ihres sozialisierten Weltbildes eine ernste Gefahr für Frauen und Mädchen sind. Zuallererst sind diese Männer eine Gefahr für die Frauen und Mädchen in ihrer Familie und ihrem Umfeld, aber letztlich für alle Frauen und Mädchen in der Öffentlichkeit, denn sexuelle Belästigung, Vergewaltigung und Frauenmord sind mit Macht in die Öffentlichkeit zurückgekehrt.
Anhand der offiziellen Zahlen vor Vorjahr habe ich das ausgerechnet: Eine afghanische Frau ist in Deutschland einem zehn Mal höheren Risiko ausgesetzt, Opfer häuslicher Gewalt zu werden als eine deutsche. 
Alle Frauen und Mädchen haben Anspruch auf Schutz vor (sexueller) Gewalt!
Darum muss es gehen, nicht um Täterschutz 
Die BefragerInnen müssen Verstehen wollen
Verschiedene Expertinnen und Experten sind unabhängig voneinander übereinstimmend zu dem Schluss gekommen, dass Kinder Erlebnisse mit (sexueller) Gewalt häufig verschlüsselt erzählen. So wie die 14jährige Lisa in Berlin: Die Geschichte stimmte (vermutlich) letztlich, nur nicht genau so, wie sie anfangs erzählte, nicht zu dem Zeitpunkt und mit anderen Protagonisten. Aber zwei Männer wurde in U-Haft genommen, weil sie das Mädchen – wie diese gesagt hatte – mehr als 30 Stunden festhielten und Sex mit ihr hatten. Wie erwachsene Männer auf die Idee kommen, das als „einvernehmlich“ zu bezeichnen, wird mir wohl ewig schleierhaft bleiben. 
Kinder (und Jugendliche) brauchen Expertinnen und Experten zufolge Zeit und die Erwachsenen müssen sich Mühe geben, die Botschaften zu entschlüsseln. Zeit, die weder den britischen Mädchen, noch Lisa noch der jungen Holsteinerin gegeben wurde. 
In allen Fällen stellte sich im Nachhinein heraus, dass die Mädchen die Wahrheit sagten – im Kern jedenfalls. Es würde mich nicht wundern, wenn das auch bei der jungen Holsteinerin der Fall wäre. Aber nochmal: Noch ist das nicht erwiesen, wird es vermutlich auch nie, und der junge Mann hat als zu Unrecht beschuldigt zu gelten.

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