Grönemeyer grölt



 Bildergebnis für lautsprecherbox


Text: Juliane Beer


Ein deutscher Musiker, an gestohlenem Herzen leidend und für Kitsch-Parolen, vorgebellt in strammem Staccato, berüchtigt, verkündet auf einem seiner Konzerte: Zitat: „Wir gehen keinen Millimeter nach rechts“ Zitat Ende. Und die Nation steht Kopf. Warum?

MusikerInnen aller Nationen haben sich von je her für oder gegen etwas eingesetzt, sangen für hungernde Kinder oder für die Rechte indigener Völker Amerikas, positionier(t)en sich gegen Apartheid oder gegen das hässliche Bürger- und Spießertum.

Aber für wen verwendet sich Grönemeyer, wenn er ins Publikum grölt: Zitat: [...]...dann liegt es an uns, zu diktieren, wie 'ne Gesellschaft auszusehen hat. Und wer versucht, so 'ne Situation der Unsicherheit zu nutzen für rechtes Geschwafel, für Ausgrenzung, Rassismus und Hetze, der ist fehl am Platze […] Zitat Ende.

Wer ist wir? Wer soll diktieren? Die Rechten nicht, soweit verständlich. Wer dann? Wem soll eine ´gute´ Diktatur gelingen? Denen, die zu tausenden im Rahmen des populären Bündnisses #unteilbar auf die Straße gehen?
Nein, die kann Grönemeyer nicht meinen, denn bei beiden #unteilbar-Demos liefen geduldet rechte, restriktive, frauen- und homosexullenfeindliche Organisationen und Gruppierungen mit.

Meint Grönemeyer also eventuell die, die sich links-emanzipatorisch nennen und zu Boykottkampagnen gegen den einzigen Staat der Welt, der Jüdinnen und Juden bedingungslos Schutz bietet, aufrufen? Nein, auch die kann Grönemeyer nicht meinen, er ruft ja dazu auf, nicht auszugrenzen, nicht zu hetzen.

Wer ist also wir, wer soll die gute Diktatur ausrufen?

Und wer sind die vermeintlichen Schützlinge?

Vielleicht kommt man der Sache näher, indem man zurückblickt. Bereits 2018 erklärte Grönemeyer, Kriegsflüchtlinge seien ein Glück für unsere (deutsche) Gesellschaft, da diese dadurch wieder Menschlichkeit lerne.

Nun ist es ganz bestimmt nicht der Lebenstraum syrischer Menschen, nach Deutschland zu gehen, um dort die GermanInnen zu Milde und Gnade zu bewegen, oder, um mit Grönemeyer zu sprechen: ihnen zu diktieren, wieder(!) menschlich zu sein. Die allermeisten SyrerInnen würde es vermutlich um einiges glücklicher machen, wenn in ihrem Land Frieden und Demokratie herrschte und sie bei ihren Familien und FreundInnen bleiben dürften, beziehungsweise durch die Welt reisen könnten, weil sie es wollten und nicht, weil sie es müssten.

Rock´n´ RollerInnen aller demokratischen Nationen sangen und singen klar artikuliert für die Rechte von Frauen, Kindern, von dunkelhäutigen Menschen, von Homosexuellen. Ein deutscher Liedermacher singt für uns Deutsche und unser Recht wieder (!) Menschlichkeit zu lernen? Kann eigentlich auch nicht sein.

Was und wen genau meint Grönemeyer also in Zeiten, da Linke Querfronten mit FrauenhasssInnen, AntisemitInnen, rechten Esoterik-SchwurblerInnen eingehen? In Zeiten, da Rechtskonservative sich gegen Kopftuchzwang und für den Schutz von Jüdinnen und Juden und für eine Verurteilung von BDS einsetzen?

Oder meint Grönemeyer vielleicht niemanden bestimmtes? Habe ich das ganze viel zu wortwörtlich, gar zu ernst genommen? Gehört es heutzutage zum bürgerlichen Existieren dazu, sich ´gegen rechts´ auszusprechen, damit alles und nichts bestimmtes zu meinen, ebenso wie unsere PolitikerInnen, die bekennen, ´gegen rechts´ zu sein, aber Diktatoren im Rathaus empfangen, mit Folterregimen Geschäfte machen und Antisemitismus an so sozialisierte Flüchtlinge delegieren?

Wenn dem so wäre würde ich verstehen, warum Grönemeyers Affentheater die Nation aufregt. Grönemeyer mit dem Sexappeal einer Lautsprecherbox aus den 1970ies grölt.
Und niemand weiß, für wen.

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