Von KollaborateurInnen und jüdischen VerräterInnen




Foto: privat


Text Juliane Beer




Zum Ansinnen der Initiative GG 5.3 Weltoffenheit ist inzwischen alles gesagt worden. Vorgeblich der Meinungsfreiheit zuliebe sollen der Boykott-Kampagne BDS für deren Veranstaltungen Steuergeld und öffentliche Räume zur Verfügung gestellt werden. So fordern es Kulturschaffende, die während der nicht enden wollenden Corona-Einschränkungen evtl. keine zufriedenstellende Beschäftigung finden und deshalb, wie es in Not- und Dürreperioden üblich ist, auf die zwanghafte Beschäftigung mit Jüdinnen und Juden, bzw. heutzutage auf die zwanghafte Beschäftigung mit Israel zurückgreifen.

Der Bundestag lehnte die staatliche Förderung von BDS bereits im Mai 2019 ab.

Nach wie vor ist es aber nicht verboten, Veranstaltungen mit BDS-AktivistInnen in privaten Räumen wie Cafés, Kneipen oder Konzerträumen abzuhalten, wenn nicht gerade Corona ist.


Eine Komponente dieser Zirkusvorstellung aber ist tatsächlich interessant.

Bei GG 5.3 Weltoffenheit sind u.a. Jüdinnen und Juden am Werk. Über ihre Beweggründe kann man spekulieren, im Folgenden soll es jedoch darum nicht gehen, sondern um KollaborateurInnen im Allgemeinen und Jüdinnen und Juden, die sich nichtjüdischen AntisemitInnen und AntizionistInnen als „Alibi-Juden“ vermeintlich zur Verfügung stellen.


Zionismus

Die Diskussion über den Sinn oder Unsinn des Zionismus ist eine uralte unter Jüdinnen und Juden, und genau dort ist sie gut aufgehoben. In nichtjüdischen aufgeklärten linken bzw. in liberalen Kreisen herrschte einst ein ungeschriebenes Gesetz, das da lautete, die nichtjüdische und erst Recht die nichtjüdische deutsche Bevölkerung habe sich der Kritik am Zionismus zu enthalten. Lediglich für einige wenige gilt dieser Grundsatz nach wie vor. 

Allerdings ist es auch unter jüdischen AntizionistInnen zum makaberen Modetrend geworden, sich nichtjüdische deutsche AntizionistInnen zu Hilfe zu holen, um sich der Inbrunst, mit der diese jüdische Autonomie verdonnern, zu bedienen. Wer nun die nützlichen IdiotInnen für wen spielt ist eine Frage der Perspektive.

Worauf man sich allerdings stets verlassen kann ist, dass irgendwer bilanziert, der Verrat sei eine jüdische Domäne. Jüdinnen und Juden wären sozusagen Fachleute auf diesem Gebiet. Ist das so?


Ein Blick zurück
Die Erzählung über Jesus, Judas Iskariot und den Verrat im Garten Getsemani dürfte bekannt sein, ich komme demzufolge sofort zu ernsthaftem.

 

Judenräte  

Sogenannte Judenräte entstanden erstmals 1939 und anders als die Bezeichnung vermuten lässt, nicht aus jüdischer Initiative. Sie wurden von Nazis zwangsweise eingesetzt und sollten zunächst antijüdische Maßnahmen während der Besetzung Polens durchsetzen. „Ernannt“ wurden Rabbiner und Funktionäre, also diejenigen, die Ansehen in bereits bestehenden jüdischen Gemeinden genossen. Die Absicht dahinter dürfte klar sein – es ging darum, Widerstand innerhalb der jüdischen Bevölkerung möglichst erst gar nicht erst aufkommen zu lassen. Später, auch in Deutschland, unterstand den Judenräten zudem die jüdische Ordnungspolizei.

Ein verfängliches Thema, das allerdings durch Verschweigen nicht an Wahrheit einbüßt, ist, dass Judenräte auch bei der Deportation von Jüdinnen und Juden in Konzentrationslager mitwirkten.

Hannah Arendt

Hannah Arendt, geb. 1906 in Hannover, gest. 1975 in New York, politische Theoretikerin und Professorin, die die Zeit des Nationalsozialismus in Amerika verbrachte, prägte den Satz

„Diese Rolle der jüdischen Führer bei der Zerstörung ihres eigenen Volkes ist für Juden zweifellos das dunkelste Kapitel in der ganzen dunklen Geschichte“

und dem mag auf den ersten Blick nichts hinzuzufügen sein. Ich komme gleich darauf zurück.

Hannah Arendt war 1961 für das Magazin The New Yorker Beobachterin beim Eichmann-Prozess in Jerusalem. Das Buch, bzw. der Bericht, der vor dem Erscheinen des Buches Arendt, Eichmann in Jerusalem, aktuelle erweiterte Ausgabe München 2011 (erste Ausgabe 1963), im Magazin The New Yorker abgedruckt wurde, löste heftige Auseinandersetzungen besonders unter Jüdinnen und Juden aus. Das Kapitel VII Die Wannsee-Konferenz oder Pontius Pilatus widmet Arendt den Judenräten und ihrer Rolle beim Massenmord am eigenen Volk. Beim Lesen dieses Kapitels kann in der Tat der Eindruck entstehen, Arendt gäbe den Judenräten die Mitschuld, zumindest die Mitschuld an der hohen Zahl der Opfer. Zu diesem Eindruck bei trägt Arendts emotionsgeladene Beschreibung der Verhandlungstage in Jerusalem, an denen die Rolle der Judenräte zur Sprache kam, aber, wie Arendt schreibt, nicht in seinem wahren Ausmaß.

Arendt versucht schließlich Erklärungen. Die diensttuenden Juden zumindest in den Lagern seien kriminelle Elemente gewesen, als solche bewusst von der SS ausgewählt. Und auch: Das Problem sei die Realitätsverweigerung vieler Jüdinnen und Juden gewesen. Was, salopp gesprochen, die Grenzenlosigkeit jüdischer Gutgläubigkeit angeht hat sie vermutlich Recht gehabt, man betrachte nur die aktuelle Kooperation jüdischer Initiativen und Gemeinden mit muslimischen Verbänden, die Kontakte zu erklärt vernichtungsantisemitischen Organisationen und Subjekten pflegen bzw. sogar suchen.

Aber zurück in die 1960er Jahre.

In Eichmann in Jerusalem schreibt Arendt einige Seiten weiter von „Totalität des moralischen Zusammenbruchs, den sie Nazis in allen, vor allem auch höheren Schichten der Gesellschaft ganz Europas verursacht haben […] nicht allein unter den Verfolgern sondern auch unter den Verfolgten.“

All das löste Bestürzung aus, auch wenn Arendt in ihrem Bericht wenigstens den Zeugenauftritt einiger Juden aus der Widerstandsbewegung wohlwollend erwähnte. Zahlreiche FreundInnen und Bekannte wandten sich nach Veröffentlichung von Eichmann in Jerusalem von Arendt ab, einige für immer.

Ob man in einem Fall wie diesem auf Deutung verzichten soll oder nicht ist eine Diskussion für sich. Was die Judenräte angeht kann man eventuell noch ergänzen, dass diese mit Funktionären besetzt waren, also mit Menschen, die, egal welcher Herkunft, grundsätzlich mit zu viel Macht ausgestattet sind (das liegt in der Natur der Sache) und von denen sich fernzuhalten man evtl. stets gut beraten ist.

Was bei Arendts Ausführungen aber u.a. verwundert, weshalb sie vermutlich gerade in Deutschland zur Ikone der Aufarbeitungs-WeltmeisterInnen emporstieg, ist, dass sie die simple Frage, welches Unterdrückungssystem denn je ohne die Unterordnung der zu Unterdrückenden funktionierte, unerwähnt lässt. Um es nicht unnötig spannend zu machen, bzw. um eine Binsenweisheit vorzulegen: keines.


Afrika, 15. Jahrhundert

Spanische und portugiesische Händler entdeckten das Geschäft mit SklavInnen. Da man nicht einfach AfrikanerInnen auf Schiffe verladen und außer Landes bringe konnte, denn die Menschen waren in Stammesgemeinschaften oder Systeme eingebunden, war man auf die Zusammenarbeit mit AfrikanerInnen angewiesen, die im Menschenhandel auch für sich eine Einnahmequelle sahen und sich also als KooperationspartnerInnen betätigten. Sie verfügten über die Kompetenz, ihre Landsleute aus den Stammesgemeinschaften herauszulösen und an die Küsten zu bringen, wo sie von den Sklavenhändlern in Empfang genommen wurden. Dass die GeschäftspartnerInnen bei diesem Handel nicht gleichberechtigt waren versteht sich vermutlich von selbst, ebenso, dass weitere europäische Länder ins Geschäft einstiegen. Der Rest ist bekannt.

 

USA heutzutage: Polizei

Nach Angaben des FBI wurden 2015 in den USA 13 455 Morde begangen. People of Color haben im Jahr 2015 rund 36 Prozent aller Morde verübt, Weiße 30 Prozent. 52 Prozent der Mordopfer waren People of Color, 43 Prozent Weiße http://dpaq.de/87iqn

Laut Bericht wurden 81 Prozent der weißen Opfer von weißen TäterInnen ermordet. 89 Prozent der Opfer unter People of Color wurden von People of Color ermordet.


International: Frauen 

Würde keine Frau weltweit mit einem unterdrückenden Mann kooperieren, wäre Frauenunterdrückung nicht möglich.

Man braucht hier nicht einmal mit dem Finger auf arabische Länder zu zeigen, in denen die Frauen, die aktuell gegen Schleier-Zwang, Fahrverbot, Geschlechtsverstümmelung, Steinigung usw. usf. aufstehen, sich längst nicht des Supports aller Geschlechtsgenossinnen sicher sein dürfen. Nicht nur, dass diese die Unterstützung verweigern, sie betätigen sich darüber hinaus auch nach wie vor als Sittenwächterinnen bzw. beteiligen sich aktiv an Gewalttaten gegen Frauen, indem sie z.B. Beschneidungen durchführen. 

Auch in Deutschland holt man auf. Längst ist es nicht mehr nur das verständnisvolle Frauen-Raunen, wenn eine Geschlechtsgenossin aufgrund von vermeintlich zu aufreizender Kleidung Opfer männlicher Gewalt wurde, auch ist es längst nicht mehr die mehr oder weniger heimliche Zustimmung, wenn Männer emanzipierte Frauen zu hässlichen Nervensägen erklären, wegen denen die vermeintlich altbewährte Ordnung aus den Fugen gerät. In der Silvester-Nacht 2015/16, während der zahllose Frauen in Köln arabischer Männerzudringlichkeit und -gewalt zum Opfer fielen, wurden diese, als sie die Nationalität der Täter erwähnten, von Geschlechtsgenossinnen zur Ordnung gerufen, beschimpft, der Bevölkerung als Rassistinnen zum Fraß vorgeworfen, an den Internet-Pranger gestellt. Die zu Schaden gekommenen Frauen warten bis heute auf Hilfe, von Gerechtigkeit gar nicht zu reden. Kaum ein Täter wurde verurteilt. Dieser Tage, fünf Jahre später, bat Ministerpräsident Laschet lapidar um Entschuldigung, vermutlich weniger aus Einsicht, sondern weil er sich Chancen ausrechnet, ab Herbst Bundeskanzlerin zu werden, und somit bereits jetzt Guerilla-Marketing-mäßig auf Stimmenfang geht. “Antirassistische Feministinnen“ haben dies noch nicht kommentiert.


DDR

Dass ein Volk sich gegenseitig bewachte und einige auch nicht davor zurückschreckten, Nachbarn, Bekannte, ja sogar Familienmitglieder oder EhepartnerInnen in den Stasi-Knast zu bringen, wo u.a. Medikamente für den Klassenfeind an Häftlingen getestet wurden, dürfte bekannt sein. Auch, dass an der Grenze Volksgenossen aufs Volk schossen, und zwar scharf. 

Dunkelstes Kapitel in der dunklen Geschichte, um mit Arendt zu sprechen, mag auf den ersten Blick sein, dass auch eine Jüdin acht (!) Jahre lang Jüdinnen und Juden observierte und an die Diktatur verriet. Dass sie, seltsamerweise zur Verwunderung vieler, nach dem Systemwechsel wieder eine Stelle gemäß ihrer Fähigkeit erhielt, mag man evtl. dahingehend deuten, dass sie sich damals dem System zugehörig fühlte und nicht ihrer Ethnie, und somit für jedes System erst mal grundsätzlich als Mitarbeiterin interessanter ist als die, die schon mal kritisierten und revoltierten.


Hartz IV

Dass die Agenda 2010 seit 2005, nämlich seit Einführung von Hartz IV zwischen Bundesverfassungsgericht und Vollstreckung hin und her vagabundiert dürfte bekannt sein. Weniger bekannt ist, dass die sogenannten ArbeitsberaterInnen und VermittlerInnen keine ausgebildeten Fachkräfte sind, sondern Menschen aus allen mögliche Berufsgruppen, die in Schnellkursen darauf trainiert wurden, Erwerbslose zu schikanieren und zu sanktionieren. Die meisten üben diese Tätigkeit aus, weil sie in ihrer Qualifikation keine Berufschancen haben und ohne ihr Tun beim Jobcenter ebenfalls erwerbslos wären. Dennoch müssen diejenigen unter ihnen, die eine Familie zu versorgen haben, nicht selten ihr Salär, das sie für ihre Dienste hinterm Schreibtisch erhalten, vor dem Schreibtisch der KollegInnen mit Leistungen nach Hartz IV aufstocken.

Dass der Kapitalismus nicht funktionieren würde, wenn die Armen dieser Welt sich nicht pausenlos gegenseitig daraufhin belauern würden, ob sie sich auch “anständig“ totschuften, selbst wenn sie damit nicht mal ihren Lebensunterhalt bestreiten können, dürfte hingehen jeder und jedem klar sein.


Muslimisch geprägte Länder

Man schlägt sich gegenseitig die Köpfe ein oder ab, hackt sich untereinander Gliedmaßen ab, hängt sich untereinander an Baukräne usw. usw. usf.
So dürfte es nicht verblüffen, dass die Misshandlung der Uiguren in China bislang keinem arabischen Staat einen Aufschrei wert war. Natürlich möchte man auch die gute Geschäftswetterlage nicht eintrüben.



Kinder

Kinder, die auf dem Schulhof oder heutzutage im Internet zwar nicht zu den aktuell Gemobbten gehören, aber diesbezüglich zumindest auf der Longlist stehen, schlagen sich so gut wie nie auf die Seite der Opfer, um diese zu unterstützen.




Schnupfen  

Und wenn man es nun unbedingt biologistisch oder banal will braucht man nicht mal das ewige, wuchernde Krebsgeschwür zu bemühen, dessen Mechanismus ja auch noch immer nicht restlos erforscht ist. Ein Schnupfen reicht. Nach dem Eindringen bringt das Virus die Wirtszelle dazu, sein schädliches Erbmaterial zu vervielfältigen.

Und so weiter, und so fort

So und nicht anders ist die Welt. Ändert es, und zwar erst mal vor eurer eigenen Haustür, oder kommt damit klar.

Jüdinnen und Juden bilden keine Ausnahme.

Auch GG 5.3 Weltoffenheit kann ohne die Kooperation von Jüdinnen und Juden nicht funktionieren. Oder ist es vorstellbar, dass lediglich nichtjüdische deutsche Kulturschaffende sich 75 Jahre nach der Shoa zusammentun, um öffentlich finanzierte, also vermeintlich dem Gemeinwohl dienende Auftritte von AntizionistInnen, teilweise aus dem palästinensischen, vernichtungsantisemitischen, teilweise aus dem deutschen linken und rechten holocaustrelativierenden Milieu, zu erzwingen? Und wenn ja, mit welchem Ziel?



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