Die Sache mit dem biologischen und dem sozialen Geschlecht und der Macht

 






Das Berliner Kunstfestival Art Spring hat wieder begonnen. Ich freue mich, dass die Künstlerin Monika Maria Nowak mich eingeladen hat, auf Ihrer Ausstellung am 1. Juni darüber zu referieren, was eine Frau ist (und wer nicht). Natürlich lohnt es sich, schon um 13:30 Uhr zu erscheinen, um in den Genuss des gesamten Programms zu kommen.


Zur Einstimmung ein paar Worte aus meiner Publikation

Que(e)rverbindungen - Die neue Sehnsucht nach Gefügigkeit


[...] In der frauenemanzipatorischen Geschichte wurde bis zum Erscheinen des Buches Gender Trouble: Feminism and the Subversion of Identity der amerikanischen Philosophin Judith Butlers im Jahr 1990 unterschieden zwischen dem biologischen Geschlecht (Sex) und dem sozialen Geschlecht (Gender). Beispielsweise stellte die französischen Schriftstellerin und Philosophin Simone de Beauvoir bereits vor mehr als 40 Jahren die Frage, ob das soziale Geschlecht (Gender) angeboren oder anerzogen sei (Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau).

Sex und Gender müssen also nicht miteinander harmonieren, somit kann eine Frau durchaus Verhaltensweisen wie beispielsweise Durchsetzungskraft und Draufgängertum an den Tag legen, Eigenschaften, die bis heute eher Männern zugeschrieben werden, bleibt aber dennoch biologisch eine Frau. Nebenbei: Natürlich wird auch in der westlichen Welt, besonders in ländlichen Gemeinden, vielen Mädchen bis heute anerzogen, sich um „weibliche Eigenschaften“ wie Fürsorglichkeit, Geduld, Zurückhaltung und ein für Männer attraktives Äußeres zu bemühen, um in den Genuss gesellschaftlicher Anerkennung zu kommen. Dass ihnen die „weiblichen Eigenschaften“ nicht immer und in allen Lebenslagen, beispielsweise in der Lohnarbeitswelt, weiterhelfen und natürlich auch über einen gewissen Punkt hinaus gar nicht weiterhelfen sollen, ist bekannt.

Zurück zu Judith Butler, die nun proklamierte, dass nicht nur das soziale Geschlecht, sondern auch das biologische Geschlecht „diskursiv konstruiert“ werde und die Zuschreibung dieses biologischen Geschlechts Probleme bereiten könne. Definiere man Menschen als biologisch weiblich oder biologisch männlich, geschehe das deshalb, um Macht auszuüben.

Nun, bekanntermaßen wird das biologische Geschlecht nicht zugeschrieben, sondern im Mutterleib festgelegt. Noch mal nebenbei: Da unter Butlers Anhängerinnen immer wieder die Bezeichnung Mutter durch Mensch, der (!) gebären kann ersetzt wird, steht zu befürchten, dass demnächst, um Männer nicht auszugrenzen, auch die Nennung der Gebärfähigkeit verboten werden soll.

Zurück zu der Frage der Machtausübung.

Wie jede weiß, kann keinesfalls geleugnet werden, dass Frauen in der Lohnarbeitswelt, in der Politik, im Kunst- und Kulturbereich usw. nicht selten noch immer lediglich auf dem Papier gleichberechtigt sind. Ob Frauen selbst an ihrer Position in der zweiten Reihe mitarbeiten, nämlich ihren Schwestern stets nur so viel Erfolg gönnen, wie sie selbst zu erreichen in der Lage sind, ist eine Frage, die in der Frauenrechtsbewegung immer wieder gestellt wurde, unbequem ist und bislang noch nicht beantwortet wurde und in diesem Buch nicht Gegenstand der Betrachtung sein soll.

Doch wer nun meint, dass es Judith Butler darum ging, Frauen Werkzeuge an die Hand zu geben, mit denen sie sich mehr Macht, Zusammenhalt und Freiheit verschaffen sollten, hat sich getäuscht. Das Gegenteil war der Fall. Butler kritisierte nämlich, dass das Denken in biologischen Geschlechtskategorien bislang die Grundlage für Unterdrückung gewesen wäre. Und das, obwohl Frau und Mann doch reine Konstruktionen wären.

Besser kann man u.a. gewalttätige Männer kaum freisprechen. Judith Butlers Irrwege in Gesetze gegossen würden z.B. abertausende (Sexual)straftäter glücklich machen. Einfach ausgedrückt wäre demnach eine Gewalttat, etwa das Erzwingen weiblicher sexueller Handlung durch einen Mann, keine Straftat an einer Frau mehr, denn das Opfer sei ja vielleicht gar keine Frau. Ein Körper mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen beweise gar nichts.
 

Judith Butler und die Folgen

Die Grillen einer Frau, die eventuell ihre Homosexualität nicht mit den gesellschaftlichen Normen in Einklang bringen kann (wie übrigens zahllose andere Frauen und Männer auch, selbst in westlichen Ländern im 21. Jahrhundert) und sich deshalb einfach ganz und gar zum Verschwinden bringt, waren nicht etwa ein kurzes US-Feuilleton-Zwischenspiel der 1990er Jahre. Vielmehr schwappte Butlers Kopfgeburt nach Europa herüber und fand auch hier und bis heute zahllose Anhängerinnen, die ob ihres Körpers, ihrer Sexualität, ihrer Interaktion mit dem anderen Geschlecht oder ob ihrer Gefühlslage Unbehagen empfinden. Anstatt aber für wirkliche gesellschaftliche Akzeptanz von Individualität in allen Lebensbereichen und der Freiheit, tun und lassen zu können, was eine glücklich macht, zu kämpfen, denn jedes Geschlecht hat ein wesentlich breiteres Repertoire in Sachen Aussehen und Verhalten als Butler uns weismachen will, was ihre Theorien u.a. so rückschrittlich, ja antiquiert macht, sah sie offenbar einen Ausweg darin, konfliktreiche Realitäten, wie z.B. das biologische Geschlecht, einfach wegzudefinieren.

Durch diese wirre Theorie, gepaart mit Intersektionalität, Kulturrelativismus und Poststrukturalismus erlitt die Frauenrechtsbewegung, die jede Mitstreiterin gebrauchen kann, einen Schlag, von dem sie sich vermutlich nicht so schnell erholen wird, wenn überhaupt. Und das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht.

Dass ein Großteil der Butler-Sekte dem Postkolonialismus zuneigt, eine Strömung, die das Fortbestehen imperialistischer Strukturen in allen westlichen Lebensbereichen bis hinein ins Private behauptet, sorgt dafür, dass Gräben vertieft werden und ein gemeinsamer Kampf von Frauen weltweit kaum mehr möglich ist. Um nicht falsch verstanden zu werden: Natürlich ist es richtig, dass Staaten ihre koloniale Vergangenheit, und die in diesem Rahmen begangenen Verbrechen aufarbeiten, Schadensersatz leisten, Raubgut zurückgeben und Lehren ziehen. Den Postkolonialismus allerdings als Waffe einzusetzen, um Allmacht und Herrschaft neu zu verteilen, statt Allmacht und Herrschaft abzuschaffen, kann für keinen Menschen, dem es um Emanzipation und Freiheit geht, eine Option sein [...] 

 https://www.buecher.de/artikel/ebook/queerverbindungen-ebook-epub/62447036/

 

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